Abdullah Frank Bubenheim, 11. Februar 2011

zu Der Westen lässt die Freiheitsbewegungen im Stich von Bettina Marx

Eine ähnliche Situation hatten wir bereits 1991, als sich in den ersten freien und demokratischen Parlamentswahlen in Algerien ein Sieg der Islamischen Heilsfront (FIS) abzeichnete. Als die herrschende Militärjunta den zweiten Wahlgang gewaltsam verhinderte, wurde dies von den sich angeblich für die Demokratie einsetzenden westlichen Regierungen – allen voran Frankreich – begrüßt und sogar unterstützt. Auf bloßen Vermutungen und Vorurteilen begründet, behauptetet man, die FIS würde die Demokratie wieder abschaffen und eine islamische Diktatur errichten, und entwarf ein Schreckensszenario von Hunderttausenden flüchtender algerischer Säkularisten. Tatsächlich aber flüchteten vor der Verfolgung, der die Anhänger der FIS und solche, die dafür gehalten wurden, ausgesetzt waren, Tausende von „islamistischen“ Algeriern in westliche Länder. Für die über 200.000 Toten der Welle der Verfolgung und Unterdrückung und terroristischer Gewalt in Algerien tragen somit die damaligen westlichen Politiker eine gewisse Mitschuld. Was 1979 in Iran geschah, wird sich höchstwahrscheinlich in keinem arabischen Land wiederholen, und es wird zu keinem islamischen „Gottesstaat“ kommen, da diese Länder überwiegend von sunnitischen und nicht schiitischen Muslimen bewohnt sind. Im sunnitischen Islam gibt keine „Mullahs“, keine Klasse von Geistlichen, wie bei den Schiiten. Nach der iranischen Verfassung ist der Mahdi, der seit ca. 1200 Jahren in der Verborgenheit lebende 12. Imam, das offizielle Staatsoberhaupt, der während seiner Abwesenheit durch den obersten Rechtsgelehrten, derzeit Ayatollah Chamenei, vertreten wird. Das ist nicht die Glaubenslehre der sunnitischen Muslime, und ein arabischer „Chomeini“ ist nirgends in Sicht. Die Ägypter und Maghribiner sind auch keine afghanischen Taliban. Warum diese auf Unwissenheit, Desinformation und Vorurteilen aufgebaute, unbegründete Angst vor dem Islam und dessen Anhängern, die die Europäer dazu veranlaßt, die Freiheitsbewegungen in den arabischen Ländern im Stich zu lassen? Ein Großteil der westlichen Politiker erweist sich als höchst unmoralisch, korrupt, verlogen und heuchlerisch. Dabei handelt die europäische Politik mit diesem Verhalten sehr unklug: die südlichen und südöstlichen Mittelmeeranrainer sind Europas unmittelbare Nachbarn, mit denen man um ein gutes Verhältnis bemüht sein sollte. Wie wäre es z. B., wenn die aus den Freiheitsbewegungen hervorgegangenen „gemäßigt islamischen“ Regierungen, über das Verhalten der Europäer verärgert, nicht mehr deren Wachhund spielen wollten und Millionen von Schwarzafrikanern ungehindert die Überfahrt und Landung an europäischen Küsten ermöglichten oder sogar unterstützten?