Marianne Las Casas dos Santos, 30. Juli 2008

Zu: Laizismus als Vorwand

Mein Mann und ich leben seit 8 Jahren in der Westtürkei und haben einen großen, westlich-liberalen Freundeskreis. Keiner dieser Freunde ist beim Militär oder sonst wie beim Staat beschäftigt. Aber alle sind besorgt wegen der Islamisierungsbestrebungen der AKP-Regierung. Von allen Seiten hört man, dass Staatsaufträge bevorzugt an streng islamische Unternehmer vergeben werden, dass in solchen Firmen möglichst strenggläubige Mitarbeiter eingestellt werden, dass Schulleiter, Behördenleiter etc. nicht nach Qualifikation sonder nach Strenggläubigkeit ausgewählt werden. Frauen nehmen das Kopftuch, um ihren Männern berufliches oder geschäftliches Fortkommen zu ermöglichen. Natürlich lässt sich so was kaum je nachweisen. Aber die gesellschaftliche und wirtschaftliche Elite und ein großer Teil der Mittelschicht der Türkei ist verärgert und sehr besorgt wegen dieser schleichenden Aushöhlung des Laizismusprinzipes. Die Wirtschafts-, EU- und Sozialpolitik der Regierung Erdogan bringt dem Land seit Jahren erfreuliche Fortschritte. Aber die Trennung von Staat und Religion sollte unbedingt erhalten werden. Auch sollte jedem Europäer bewusst sein, dass das Tragen des Kopftuches hier nicht nur religiös sondern auch eindeutig politisch verstanden wird. Die Menschen, die ich hier kenne, empfinden die rasant zunehmende Zahl der Kopftücher als Bedrohung ihres westlich-liberalen Lebensstils. Bevor wir in die Türkei kamen, lebten wir 4 Jahre in Ägypten. Dort kann man besichtigen, was aus einer von der Moslembruderschaft unterwanderten Gesellschaft wird, in der die Scharia mittlerweile mehr Gewicht hat als die ehemals an das englische Recht angelehnten bürgerlichen Gesetze. Moderne Türken fürchten zu Recht eine solche Entwicklung.