Rainer Heufers (Malaysia), 29. März 2004

zu: Reform ohne Demokratie? Von Charlotte Wiedemann

Ich finde es sehr gut, dass Qantara auch über so abgelegene islamische Länder wie Malaysia berichtet; dennoch verdienen nach meinem Dafürhalten Teile von Charlotte Wiedemanns Analyse eine genauere Betrachtung.

So wird die Islamische Partei (PAS) als "vergleichsweise moderat" bezeichnet. "Moderat" scheint mir aber keineswegs das passende Attribut, wenn es um die PAS geht.

In den zwei Bundesstaaten Kelantan und Terengganu, in denen sie in den letzten Jahren regiert hat, vermochte sie es erfolgreich, die Hudud-Strafen (islamische Strafgesetze, d. Ü.) von den regionalen Parlamenten absegnen zu lassen. Strafen wie Amputationen, Kreuzigungen und Steinigungen bis zum Tode gehören in diesen Staaten damit zu den Strafgesetzen.

Ursprünglich wollte die PAS auch die Bestimmung durchsetzen, dass ein weibliches Vergewaltigungsopfer vor dem Gericht nur dann Gehör findet, wenn sie drei, wohl beleumundete islamische Männer als Zeugen des Verbrechens anführen kann. Andernfalls sollte sie wegen Verleumdung angeklagt und hart bestraft werden können. Viele andere Beispiele ließen sich anführen, doch sollte schon dieses ausreichen, um die Klassifizierung der Partei als moderat zurückzuweisen.

Zurecht räumt Frau Wiedemann ein, dass die islamische Gemeinschaft in Malaysia zwar konservativer geworden sei, versäumt es aber, die Gründe hierfür zu nennen. Dabei war es doch die PAS, die ihren Wahlkampf vor allem darauf aufbaute, den Premierminister und einen Teil seiner Politik als un-islamisch zu brandmarken.

Damit ist es ihr gelungen, die malaysische Wählerschaft zutieft zu verunsichern. Eine Wählerumfrage, die mit Unterstützung der deutschen Friedrich Naumann Stiftung durchgeführt wurde, ergab, dass die islamischen Wähler den Unterschied nicht verstanden, zwischen der Forderung der PAS nach einem "islamischen Staat" und dem Begriff des "islamischen Landes", als das die Regierung Malaysia sehen will.

So wurde es den tatsächlich moderaten Parteien unmöglich gemacht, das radikale Konzept des "islamischen Staates" zu bekämpfen, ohne selbst als un-islamisch oder auch nur weniger islamisch als die PAS zu gelten.

Doch weist die vorgebliche "empfindliche Niederlage" der PAS nicht doch auf eine breite Ablehnung radikaler Ideen durch die Wähler hin? Nein, keineswegs! Zunächst muss festgestellt werden, dass es der PAS gelungen ist, die politische Agenda im Islam-Diskurs zu diktieren, was während der Amtszeit des Premierministers Dr. Mahathir nicht der Fall war. Man muss also abwarten, wie sich die Dinge in der Zukunft entwickeln werden.

Außerdem lässt sich kaum von einer empfindlichen Niederlage sprechen, ebenso wenig von einer faktischen "Auslöschung" der Gerechtigkeitspartei Wan Azizahs, wie Frau Wiedemann es formulierte.

In einem Wahlsystem mit einfacher Mehrheit, in dem die Regierung darüberhinaus alles unternimmt, um Vorteile aus der willkürlichen Einteilung der Wahlbezirke ("gerrymandering") zu ziehen, sagt die bloße Zahl der Sitze nicht viel aus über die tatsächlichen politischen Präferenzen der Wähler.

Tatsächlich nämlich fiel zwar die Zahl der Sitze, die die PAS für sich verbuchen konnte, von 27 (1999) auf sieben, doch steht dem eine leichte Erhöhung des prozentualen Stimmanteils von 15% auf 15,51% im gleichen Zeitraum gegenüber. Die Gerechtigkeitspartei ihrerseits verfügt nach der Wahl nur noch über einen Parlamentssitz, nachdem ihr Stimmanteil von 11,5% auf 8,8% gefallen ist. Dies ist zweifellos eine Niederlage, doch eine "Auslöschung" ist es keineswegs.

Rainer Heufers
Projektleiter Malaysia
Friedrich Naumann Stiftung