Engagement für Menschenrechte

In vielen Staaten werden die Menschenrechte nicht beachtet. An der Frage, wie offensiv beim Kampf für die Menschenrechte auf Regierungen Druck gemacht werden darf, scheiden sich die Geister. Von Marie-Christine Johannes

Trotz ihres universellen Anspruchs werden die Menschenrechte in vielen Staaten nicht beachtet. Entwicklungsexperten warnen vor den ökonomischen und sozialen Folgen, die sich hieraus ergeben. An der Frage, wie offensiv beim Kampf für die Menschenrechte auf Regierungen Druck gemacht werden darf, scheiden sich die Geister. Von Marie-Christine Johannes

Aktion zum Tag der Menschenrechte in Berlin, Foto: AP
Aktion zum Tag der Menschenrechte in Berlin

​​Menschenrechte gelten vielfach als "westlich" oder "europäisch". Dass diese Wertvorstellungen nicht mit asiatischen Überzeugungen zusammenpassten, haben beispielsweise die früheren Premierminister Mahathir Mohamad (Malaysia) und Lee Kuan Yew (Singapur) behauptet. Die Betonung des Individuums widerspreche der hohen Bedeutung, die Gemeinschaft, Ordnung und Harmonie in Asien beigemessen würden.

Heiner Bielefeldt hält von solcher Argumentation wenig. Wie der Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte erläutert, ist die Festschreibung von individuellen Grundrechten eine moderne Reaktion auf Unrechts- und Konflikterfahrungen.

Ihre Formulierung gehe zurück auf die Traumata leidvoller Kriege, die Europa im 19. und 20. Jahrhundert überzogen. Laut Bielefeldt sind sie Konsequenz der aufklärerischen Erkenntnis, dass jedem Menschen das Recht gewährt werden muss, sich des eigenen Verstandes frei zu bedienen.

Bielefeldt betont, dass die Menschenrechte nicht aus der christlichen oder jüdischen Religion folgen. Dieses historisch noch recht junge Produkt der Gesellschaftsentwicklung in fortgeschrittenen Staaten sei ohne Anspruch auf universelle Geltung nicht denkbar. Dass die Prinzipien in Europa und Nordamerika zuerst postuliert wurden, sei gewissermaßen ein geschichtlicher Zufall.

Demokratie ist Grundlage für Fortschritt

Der universelle Anspruch wird freilich nicht überall akzeptiert. In vielen Ländern ist die Achtung der Menschenrechte nicht gewährleistet – mit negativen Folgen für die Entwicklung.

Die Süd-Kommission unter dem früheren tansanischen Präsidenten Julius Nyerere bezeichnete bereits 1990 Demokratie und Menschenrechte als zwingende Grundlage für Fortschritte in Wissenschaft und Wirtschaft.

Wenn Intellektuelle und Wissenschaftler fliehen, verliert ein Staat Eliten, die er für seine Entwicklung braucht. Investitionen sind immer riskant – ohne Rechtssicherheit werden sie für Unternehmer noch riskanter.

Der Erfolg prosperierender Demokratien zeigt, dass sozialer Friede dort herrscht, wo alle Bürger mit legitimen Mitteln und realistischen Erfolgsaussichten ihre Interessen verfolgen können.

Souveränität darf nicht missachtet werden

Aus Sicht des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) ist die Geltung der Menschenrechte deshalb elementar und nicht nur ethisch wünschenswert. Die rot-grüne Regierungskoalition hat diese Sicht von der Vorgängerin übernommen, sie betont sie in ihrer Außen- und Entwicklungspolitik sogar noch deutlicher.

Wesentlich ist aber das Engagement der Partnerländer. Sie müssen in Eigenverantwortung handeln. Bei den Eschborner Fachtagen der GTZ zum Thema Good Governance im Juni erläuterte BMZ-Unterabteilungsleiter Adolf Kloke-Lesch, die Verwirklichung der Menschenrechte sei eine Gestaltungsarbeit.

Hilfe von außen könne nur als Anstoß und Stütze dienen, um zur schrittweisen Verwirklichung beizutragen. Letztlich gelte es, die Souveränität eines Landes zu respektieren.

Missachtung der Menschenrechte wird oft toleriert

Solch eine indirekte Strategie trifft indes auch auf Widerspruch. Institutsleiter Heiner Bielefeldt betont, die Menschenrechte seien unveräußerlich, also nicht verhandelbar. Sie bedingten einander und seien deshalb unteilbar.

Die philosophischen Prinzipien sind klar – aber aus Regierungssicht ist die Lage weniger einfach. Außenpolitiker nennen Nordkorea als Beispiel dafür, dass ein diktatorisches Regime zu isolieren, nicht die Lebensverhältnisse der Bevölkerung bessert.

In andern Fällen schauen Regierungen aus wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Gründen weg, wenn Menschenrechte gebrochen werden. Tschetschenien gilt als klassischer Fall, in dem die führenden Industrienationen Russlands menschenverachtende Politik tolerieren.

Nichtstaatliche Organisationen als Mittler

In der Tat gelten Menschenrechte nur dort, wo eine unabhängige Justiz und die einheimischen Behörden sie einhalten. Es bleibt heikel, wenn fremde Regierungen sich in diese Belange einmischen.

Aus diesem Grund würden "unterschiedliche Instrumente" eingesetzt, erklärt BMZ-Abteilungsleiterin Ursula Schäfer-Preuss. Kirchen, parteinahe Stiftungen und regierungsunabhängige Organisationen könnten Bundesmittel vielfach besser zur Stärkung der Zivilgesellschaft einsetzen als staatliche Durchführungsorganisationen.

Wenn eine souveräne Regierung Reformen in Eigenverantwortung gestaltet, erweisen sie sich den Erfahrungen zufolge meistens als nachhaltig – und dann ist direkte zwischenstaatliche Kooperation weniger problematisch.

Alte Bräuche stehen Menschenrechten gegenüber

Doch auch dort, wo die Verantwortlichen Menschenrechtsreformen durchsetzen möchten, stößt die Entwicklungszusammenarbeit auf Grenzen. So sind viele menschenrechtsverachtende Praktiken gesellschaftliche Bräuche, denen die Bevölkerung kein Unrechtsempfinden entgegenbringt. Hierzu zählt etwa die weibliche Genitalverstümmelung in Afrika.

Fortschritt ist oft langsam. So berichtet Mallika Dutt von der international tätigen Organisation Breakthrough, dass zwar in Ägypten die Zahl der Männer, die wegen Gewalt an ihren Frauen inhaftiert wurden, angestiegen ist. Die Zahl der Gewaltausschreitungen selbst sei jedoch noch nicht gesunken.

Die vielen Konventionen und Erklärungen zu den Menschenrechten ermöglichen es Betroffenen zunehmend, Täter zur Verantwortung zu ziehen – doch Vorbeugung bleibt vielerorts aus. Erst wenn eine Gesellschaft Menschenrechte als selbstverständlichen Bestandteil ihres Zusammenlebens akzeptiert hat, wird sie diese auch achten.

Bewusstsein für Menschenrechte schaffen

Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen bedeutet in erster Linie Aufklärung und Sensibilisierung. So arbeitete die GTZ im Rahmen eines Projektes zur Rechtsreform in Sambia erfolgreich mit dem männlichen Personal in den untersten Gerichten zusammen.

Die Richter mussten lernen, was Menschenrechte sind, dass sie für alle gleich gelten und welcher ihrer traditionellen Rechte gegen sie verstoßen. Erst dann nahmen die Gerichte Klagen von Frauen ernst, berichtet GTZ-Expertin Katrin Saage-Fain.

Es ist wichtig, auf traditionelle Normen Rücksicht zu nehmen und diese mit modernen Vorstellungen zu verzahnen. Die Erfahrungen der Friedrich-Ebert-Stiftung in der juristischen Zusammenarbeit zeigen, dass Menschenrechte dann als weniger fremd oder "westlich" empfunden werden, sondern als im Einklang mit der eigenen Kultur stehend.

Die SPD-nahe Organisation veranstaltet beispielsweise in Äthiopien Seminare und Diskussionsforen, um auf allen staatlichen Ebenen Bewusstsein für die Menschenrechte zu wecken. Dabei setzt sie auch eigene Übersetzungen äthiopischer Gesetze in Regionalsprachen ein, um breite Aufklärung zu ermöglichen.

Auch in Demokratien werden Menschenrechte verletzt

Doch auch in Staaten, in denen die Menschenrechte als fest in der Rechtsprechung und der Gesellschaft verankert gelten, ist ihr Schutz nicht selbstverständlich.

So weist Horst Fischer, Juraprofessor an der Ruhr-Universität und Präsident des European Centre for Human Rights and Democratisation in Venedig, auf das Entstehen rechtloser Zonen in demokratischen Regimen hin.

Die jüngsten Kriegsverbrechen amerikanischen Wachpersonals in irakischen Gefängnissen sowie Folterdrohungen auf deutschen Polizeistationen zeugten hiervon. Dieser traurigen Entwicklung gelte es mit aller Kraft entgegenzuwirken, da die Menschenrechte das Fundament von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie bilden.

Marie-Christine Johannes

© Entwicklung und Zusammenarbeit 8/2004

Marie-Christine Johannes studiert internationale Beziehungen an der St. Andrews-Universität in Schottland.

Zeitschrift Entwicklung und Zusammenarbeit
GTZ-Jahresbericht zu Good Governance
Deutsches Institut für Menschenrechte