Krieg aus Kindersicht - "Baghdad Stories"

Wenige Wochen nach dem Ende des Krieges im Irak reiste der deutsche Journalist Philipp Abresch nach Bagdad und verteilte rund 170 Einweg-Kameras an irakische Kinder und Jugendliche. Im Fokus ihrer Aufnahmen steht dabei vor allem die Zivilbevölkerung. Anna Bilger berichtet

Wenige Wochen nach dem Ende des Krieges im Irak reiste der deutsche Journalist Philipp Abresch nach Bagdad und verteilte rund 170 Einweg-Kameras an irakische Kinder und Jugendliche. Im Fokus der zahlreichen Aufnahmen aus der Krisenregion steht vor allem die Zivilbevölkerung, wie Anna Bilger berichtet.

Foto: Ibrahim, 'Bahdad Stories'

​​Sie haben sich vor dem Panzer versammelt, hinter Stacheldraht und neben zwei amerikanischen Soldaten. Die irakischen Jungen lächeln ein bisschen schief und posieren für die Kamera des zehnjährigen Saif Ibrahim aus Bagdad.

Saif Ibrahim und hundert weitere Kinder und Jugendliche aus der irakischen Hauptstadt im Alter zwischen 10 und 16 Jahren sind zu Fotografen der Nachkriegszeit geworden. Sie dokumentieren ihren Alltag nach Saddam und mit den amerikanischen Soldaten, sie zeigen Trümmer und Zerstörung.

Aber sie zeigen auch einige kleine Mädchen, die in Kleidern für die Kamera posieren. Oder Jungen, die Fußball auf einem mit Palmen gesäumten Sandplatz spielen. Diese Bilder drücken aus, was sich alle am meisten wünschen: Frieden und Normalität.

Mit anderen Augen

Den Blick von denen, die oft am schlimmsten vom Krieg betroffen sind,in Fotos festhalten - das will Philipp Abresch. Der Journalist aus Berlin-Friedrichshain organisiert Fotoprojekte mit Kindern und Jugendlichen, hauptsächlich in Krisenregionen.

Im Irak hat er 170 Einwegkameras an irakische Mädchen und Jungen und einige junge amerikanische Soldaten verteilt. "Sie sollten fotografieren, was ihnen wichtig ist und was sie anderen zeigen wollen", sagt der 28-Jährige. "Fotos ermöglichen die Verständigung über alle Sprachbarrieren hinweg."

Die Idee, einen anderen Blickwinkel auf den Krieg zu ermöglichen, entstand, als er selbst Soldat war. Als Reservist berichtete Abresch 1997 für den Rundfunksender der Bundeswehr vom Balkan und sah zum ersten Mal zerstörte Häuser und Minenfelder.

Die Eindrücke ließen ihn nicht mehr los. Zwei Jahre später startete er im Kosovo sein erstes Fotoprojekt mit albanischen und serbischen Kindern. Die Ausstellung "Mit anderen Augen" war im Kosovo, in Deutschland und auf der Foto-Biennale 2000 in Rotterdam zu sehen.

Der Einfall fürs nächste Projekt kam dem jungen Journalisten auf einer Zugfahrt. Was passiert wohl an einem ganz bestimmten Tag an einem anderen Ort?

Gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) hat Abresch eine Momentaufnahme der Welt aus Kindersicht entstehen lassen: Am 30. April 2002 drückten 500 Kinder in 43 Ländern auf den Auslöser. Die schönsten Fotos sind inzwischen in der Wanderausstellung "Imagine - your photos will open my eyes" zu sehen, in diesem Jahr in über 30 Ländern.

Kleine wichtige Geschichten

Philipp Abresch verteilt mit jeder Kamera auch Fragebögen an die Jugendlichen und die Soldaten. Die Antworten sollen helfen, die unterschiedlichen Blickwinkel zu erklären.

Da fragt er beispielsweise: "Glaubst du, dass du im Irak etwas verändern kannst?" Ein US-Soldat antwortet: "Ja, wenn uns die Iraker lassen." Ein irakischer Jugendlicher glaubt auch an Veränderung und begründet: "Weil Saddam weg ist. Wir sind aber auch froh, wenn die USA bald weg sind."

Diese verschiedenen Perspektiven auf den Alltag in Bagdad hat Abresch nun in der Ausstellung "Baghdad Stories" zusammengetragen, die zur Zeit in Kassel und bald auch in anderen deutschen Städten und im Nahen Osten gezeigt wird.

Philipp Abresch freut sich, dass die kleinen, uninszenierten und doch so wichtigen Geschichten aus dem Irak - die "Baghdad Stories" - durch sein Engagement einer breiteren Öffentlichkeit erzählt werden. Er selbst kann jetzt wieder in den Hintergrund treten. Denn die Fotos sprechen für sich.

Anna Bilger, Fluter.de 2004

Für den Bau einer Schule in Bagdad sammelt Philipp Abresch gemeinsam mit der Hilfsorganisation "Architects For People In Need" Spenden (APN, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 70020500, Kto. 8862404, Stichwort: Kinder im Irak).

Infos und Fotos zur Ausstellung "Baghdad Stories" gibt es hier