Taugenichtse an der Front

In den letzten Jahren hat das iranische Populärkino mit frechen Komödien eine Bastion des zivilen Widerstandes geschaffen. Der neue Film "Die Ausgestoßenen" treibt seinen Spott mit einem besonders prekären Thema: dem Iran-Irak-Krieg. Von Amin Farzanefar

In den letzten Jahren hat das iranische Populärkino mit frechen Komödien eine Bastion des zivilen Widerstandes geschaffen. Der neue Film "Die Ausgestoßenen" von Masud Dehnamaki treibt seinen Spott mit einem besonders prekären Thema: dem Iran-Irak-Krieg. Von Amin Farzanefar

Szene aus dem Film 'Die Ausgestoßenen'; © www.cinemaema.com
Szene aus dem Film 'Die Ausgestoßenen'

​​Nach dem sensationellen Erfolg der Scheidungskomödie "Atash bas" bricht aktuell wieder ein Blockbuster im Iran alle Rekorde: "Ekhrajiha" – "Die Ausgestoßenen".

Der Film handelt von dem frisch aus dem Gefängnis entlassenen Madjid, der in seinem Viertel als zurückgekehrter Mekkapilger, als so genannter "Hajji", auftritt, und hofft, damit auch Eindruck auf seine Angebetete Narges zu machen.

Chaoten im Kampf gegen Saddams Truppen

Als der Schwindel auffliegt, und darüber hinaus sein Nebenbuhler als Freiwilliger an die Front zieht, kann Madjid nicht anders – zusammen mit einem bunten Haufen zieht er los, um den geheiligten Boden Irans im ersten Golfkrieg zwischen dem Iran und dem Irak zu verteidigen.

Doch schon beim Rekrutierungsbüro gibt es erste Probleme, sich der heiligen Sache würdig zu erweisen: Madjids Bande ist ein kiffender, fluchender Haufen, dem Glückspiel ergeben und keine Gebetszeit einhaltend – Taugenichtse an der Front.

Der Affront gegen den Märtyrerkult nimmt sich umso erstaunlicher aus, wenn man die Vita des Regisseurs genauer betrachtet: der Journalist Masud Dehnamaki hat selbst an der Front gekämpft, unter anderem während der heftigen Kämpfe um die südiranische Hafenstadt Khoramshahr, und ist überzeugter Bannerträger der Islamischen Republik.

Nun war auch der dissidente Filmemacher Mohsen Makhmalbaf vormals ein linientreuer Propagandist, und selbst Kamal Tabrizi, Regisseur der frechen Mullahkomödie "Marmulak", hatte sich ehedem im Kriegsfilmgenre betätigt.

Der Regisseur als Rechtsaußen

Dehnamaki allerdings, Herausgeber einer Reihe ultrakonservativer Zeitschriften, ist eine zentrale Figur der "Ansar-e Hesbollah", gewaltbereiter Ultra-Hardliner im Gefolge des Revolutionsführers Khamenei. Auch über die paramilitärischen Freiwilligeneinheiten, die so genannten "Basiji", bedrohte er Andersdenkende in Kunst und Kultur.

Diese Schlägertrupps waren in die blutige Niederschlagung des Studentenaufstandes von 1999 verwickelt – und rücken gar in das Umfeld eines Mordkomplotts gegen Khatamis Präsidentschaftsberater Said Hadjarian.

Wenn Dehnamaki Kritik äußert, kommt sie von rechts außen: Sie richtet sich gegen die gesellschaftlichen Öffnungen unter Rafsandjani – und besonders Khatami – und deutet den Reformprozess als Folge von Dekadenz, Verwestlichung, Spionage und Kulturimperialismus.

Immerhin: Sein Dokumentarfilm "Faqr wa Fahsha" ("Armut und Prostitution") machte erstmalig öffentlich auf das verdrängte Tabuthema der Prostitution aufmerksam. Doch damit die Armen und Prostituierten überhaupt zu ihm Vertrauen fassten, musste Dehnamaki sich für die Dreharbeiten den Bart stutzen, und er trug westliche T-Shirts.

Es scheint, er habe eingesehen, dass unter dem gegenwärtigen "Skandalpräsidenten" alles noch schlimmer geworden ist. Daher liegt es nahe, dass er versucht ist, sich öffentlich von seinen "Jugendsünden" zu distanzieren.

Subtiler Propagandafilm als Komödie verpackt?

Ist sein kalauernder Film "Ekhrajiha" ("Die Ausgestoßenen") vor diesem Hintergrund nun der Befreiungsschlag eines geläuterten Fundamentalisten, oder eine besonders subtile Form der Propaganda?

"Die Ausgestoßenen" – nicht viel anders übrigens als manch ein Hollywood-"Antikriegsfilm" – ist ein Wolf im Schafspelz: Ausgehend von einer harmlosen Situation und vorgeblich systemkritisch, zieht er die ideologische Schlinge immer enger.

Filmplakat 'Ekhrajiha'
Filmplakat 'Ekhrajiha'

​​Interessant ist etwa die Nebenfigur des Ayatollah – Geistliche stehen bei weiten Teilen der städtischen Bevölkerung nicht hoch im Ansehen, gelten sie doch als korrupte Profiteure des politischen Systems.

Hier nun wird dem Repräsentanten des Staates ein solch "vernagelter Fundamentalist" gegenüber gestellt, dass alle anderen Personen nur moderat erscheinen können: während der Hisbollah-Eiferer Madjid vom geheiligten Boden der Front fernhalten will, will der Ayatollah allen eine Chance einräumen – süß und ehrenvoll ist es, fürs Vaterland zu sterben.

Der Erfolgsproduzent Habibollah Kasesaz sagt geradewegs heraus, dass er mit "Die Ausgestoßenen" dem Genre der so genannten "Defa-ye Moghadass" wieder zum Aufschwung verhelfen möchte – Filme über den Iran-Irak-Krieg werden seit kurzem gesondert gefördert.

Vor diesem Hintergrund könnte Dehnamakis Werk als Übergang von einer Welle frecher Komödien zu einem neuen ideologischen Kino verstanden werden.

Blut und Boden

Der überraschende, für manche erschreckende Erfolg von "Die Ausgestoßenen" mag in dessen "Gewitter filmischer und schauspielerischer Effekte" begründet liegen, in dem Staraufgebot – Mohammad-Reza Forutan, Akbar Abdi und der aufstrebende Amin Hayayee –, in dem durchgängigen Slapstick-Humor und in dem durchaus witzigen Realismus, mit dem Dehnamaki Lokalkolorit wiedergibt: die so genannten "Jahelis", diese Originale der Teheraner Vorstädte, einst prägend für ein eigenes Genre, waren lange aus den Teheraner Kino verschwunden.

Doch auch in "Ekhrajiha" hält es sie nicht lange – nachdem die Tagediebe auf Linie getrimmt werden, endet der Film überraschend: Madjid und seine Freunde sterben den Märtyrertod und werden ins Paradies gebombt. Eine traurig-pathetische Schlussmusik beendet, was anfangs noch so ausgelassen begann.

Amin Farzanefar

© Qantara.de 2007

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