Zwischen Verbot und Selbstzensur

Trotz kurzer Phasen relativer Pressefreiheit im Iran hat sich der Spielraum für regierungsunabhängige Medienschaffende bis heute minimiert. Ein Rückblick von Ghasem Toulany

​​Dass die Medien in der Islamischen Republik bis heute unterdrückt werden, dürfte keinesfalls verwundern. Hatte sich doch Revolutionsführer Ayatollah Khomeini bereits 1963 in einer Rede ausdrücklich gegen die Pressefreiheit geäußert.

So schien es denn auch eher machtpolitischem Kalkül zu entspringen, dass er sich am Vorabend des Sieges der Islamischen Revolution 1979 unter anderem als "Befürworter der Meinungsfreiheit" bezeichnete.

Der letzte Ministerpräsident der Schahregierung, Shahpur Bakhtiar, hatte etwa einen Monat vor der Revolution die Zensur in Iran abgeschafft. Durch die Aufhebung der Zensur waren die Medien in der Lage, sich unabhängig für einen politischen Wandel einzusetzen.

Der kurze "Frühling der Freiheit"

Mit ihren Berichten über die landesweit wachsenden Unruhen und die Veröffentlichung von Äußerungen Khomeinis, der in Paris auf seine Rückkehr in den Iran wartete, konnte die iranische Presse aktiv in das Revolutionsgeschehen eingreifen und sich für den Sieg der Islamischen Revolution einsetzen. Unmittelbar nachdem der Schah von seinem Pfauenthron gestürzt wurde, erlebte die iranische Presse für kurze Zeit einen "Frühling der Freiheit".

Doch bereits wenige Monate nach der Revolution verabschiedete der Revolutionsrat ein neues Pressegesetz, das etliche Einschränkungen für die Medien im Iran vorsah. Dagegen konnte die provisorische Regierung unter dem liberalen Ministerpräsidenten Mehdi Bazargan, die keineswegs dieser weitreichenden Einschränkung der Pressefreiheit zustimmte, nur wenig Widerstand leisten.

Vor allem die Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und dem mächtigen

Ayatollah Khomeini; Foto: AP
Medien ausschließlich im Dienste der Islamischen Republik - unter Ayatollah Khomeini wurde ein neues Pressegesetz erlassen, das die Pressefreiheit wesentlich einschränkte.

​​ Revolutionsrat führten schließlich dazu, dass die Regierung ins Abseits gedrängt wurde. Mit dem Rücktritt Bazargans wurde schließlich der Weg frei für eine weitere Radikalisierung der Islamischen Republik.

Durch die Verabschiedung der iranischen Verfassung bekam der religiöse Führer uneingeschränkte Machtbefugnisse. Dabei hatte Ayatollah Khomeini vor dem Sieg der Islamischen Revolution versprochen, dass die Geistlichen in der zukünftigen Regierung nicht politisch aktiv sein würden.

Einige Monate nach der Revolution wurde die Zeitung "Ayandegan" nach ersten Warnschüssen Ayatollah Khomeinis an die Adresse der liberalen Medien verboten und die beiden größten Tageszeitungen des Landes, "Ettelaat" und "Keyhan", von jungen Revolutionären besetzt und in der Folge verstaatlicht.

Krieg als "Gnade Gottes"

Der Iran-Irakkrieg radikalisierte die Islamische Republik weiter: Mit der Unterstützung vieler westlicher Staaten startete Saddam Hussein im Jahr 1980 seinen Angriff gegen den Iran. Später sollte Khomeini diesen acht Jahre andauernden Krieg als eine "Gnade Gottes" bezeichnen.

Der Konflikt eröffnete den Ayatollahs nämlich die Möglichkeit, den letzten Rest der inneriranischen Opposition endgültig zu zerschlagen und die Medien mehr und mehr unter Druck zu setzen.

Allein im Jahr 1981 wurden 175 Zeitungen und Zeitschriften verboten. Am Ende des Krieges im Jahr 1988 erschienen kaum mehr als 121 Zeitungen und Zeitschriften in Iran. Diesen Zeitraum bezeichnete der berühmte iranische Journalist, Masud Behnud, als "finsterste Zeit des Journalismus" im Iran. Fast alle kritischen Journalisten mussten entweder das Land verlassen oder ihre journalistische Tätigkeit einstellen.

Wegbereiter für einen neuen Wandel der Presse unter Rafsandschani: Tageszeitung "Hamshahri"

​​ Nach dem Krieg und unter der Präsidentschaft von Hashemi Rafsandschani nahm die die Zahl der Zeitungen und Zeitschriften wieder zu. Der spätere Staatspräsident Khatami war damals als Minister für Kultur für die Medien zuständig. Unter Rafsandschani wurden auch die beiden großen Zeitungen "Hamshahri" und "Iran" auf Initiative der so genannten Technokraten gegründet.

Beide Zeitungen haben die Presselandschaft im Iran von Grund auf verändert, sie sollten in den darauffolgenden Jahren insbesondere den Reformprozess unter Khatami unterstützen. Auch Zeitschriften wie "Kiyan" und "Adineh", die von national-religiösen Kräften veröffentlicht wurden, spielten damals eine wichtige Rolle im Prozess der kontrollierten Liberalisierung der Presselandschaft.

Die gesellschaftskritische Zeitung "Salam" wurde ebenfalls noch unter Rafsandschani von politisch links orientierten islamischen Geistlichen gegründet. Diese Zeitung war bereits seit ihrer Gründung kritisch gegenüber der damaligen Regierung eingestellt.

Im Präsidentschaftswahlkampf 1997 spielte "Salam" zudem eine nicht unerhebliche Rolle bei der Unterstützung der Reformer, was auch zum Wahlsieg Khatamis beigetragen hatte.

Pioniere der iranischen Reformpresse

Die Zeitungen und Zeitschriften, die nach Ende des Iran-Irakkrieges von den islamischen Intellektuellen in Iran veröffentlicht wurden, können auch als Pioniere der späteren Reformpresse betrachtet werden. Aber erst im Jahr 1997 erreichte die reformorientierte Presse ihre Blütezeit.

Nachdem Mohammad Khatami im Jahr 1997 an die Macht kam, ernannte er den liberalen

Mohammad Khatami; Foto: AP
Hoffnungsträger für Irans unabhängige Medien - Mohammad Khatami

​​ Politiker Ataollah Mohajerani zu seinem Minister für Kultur. Mohajerani vergab großzügig Lizenzen für neue Zeitungen und Zeitschriften – für die Presse ein zweiter "Frühling der Freiheit" in der Geschichte der Islamischen Republik. Doch die Reformgegner schauten keinesfalls tatenlos zu.

Im Jahr 1998 verbot die iranische Justiz die populäre Zeitung "Jamee". Die zwei Nachfolgezeitungen ("Tus" und "Asr-e Azadegan") erfuhren ein ähnliches Schicksal. Dann wurde die einflussreiche Zeitung "Salam" verboten, was die studentischen Unruhen 1999 zur Folge hatte.

Bis zum Jahr 2000 ließen die Konservativen mehr als 80 Zeitungen und Zeitschriften verbieten. Die Mitarbeiter dieser Zeitungen konnten aber ihre journalistische Tätigkeit bei den neu gegründeten Zeitungen fortsetzen. Am Anfang der Ära Khatamis wagten die Konservativen es noch nicht, eine Zeitung ohne gerichtliches Urteil verbieten zu lassen.

In den nächsten Jahren wurden die Konservativen immer aggressiver und waren in der Lage, unerwünschte Zeitungen sogar noch vor ihrem Erscheinen verbieten zu lassen. Dagegen wollte oder konnte der reformorientierte Staatspräsident Khatami nichts unternehmen.

Reformorientierte Zeitungen als "Stützpunkte des Feindes"

Im Sommer 2000 hatte der religiöse Führer Ayatollah Khamenei während einer öffentlichen Rede die reformorientierten Zeitungen und Zeitschriften als "Stützpunkte des Feindes" gebrandmarkt. Wenige Tage darauf wurde fast die gesamte reformorientierte Presse auf Veranlassung der Teheraner Staatsanwaltschaft "vorläufig" verboten.

Das bedeutete, dass die Herausgeber der Zeitungen auf ihren Gerichtsprozess warten mussten, damit das Gericht über das endgültige Schicksal entscheiden konnte. Die meisten Prozesse gegen die angeblich nur vorläufig verbotenen Zeitungen und Zeitschriften fanden jedoch nie statt.

Als Gegenstrategie beantragten die Verlage, deren Zeitungen verboten wurden, umgehend Lizenzen für neue Zeitungen. Diese wurden von dem liberal geführten Ministerium für Kultur auch grundsätzlich erteilt. Die Folge war ein "Katz-und-Maus-Spiel" zwischen der konservativen Justiz und dem liberalen Ministerium für Kultur.

Mohajerani musste jedoch letztlich unter dem Druck der Konservativen zurücktreten. Sein Nachfolger, Ahmad Masjedjamei, konnte seine Politik der Toleranz nicht mehr fortsetzen. So wurde der Prozess der Lizenzvergabe für neue Zeitungen verzögert, verbotene Zeitungen durften auch nicht mehr unter anderem Namen erscheinen.

Die Gefahr, dass nunmehr Zeitungen verboten werden und Journalisten ihren Job verlieren, führte bei vielen Journalisten und Zeitungen auch zur Selbstzensur. Unter iranischen Journalisten gab und gibt es eine Sprichwort, das die Gründe für die Tendenz zur Selbstzensur nennt: "Im Iran gibt es Meinungsfreiheit, aber nach einer Meinungsäußerung gibt es keine Freiheit mehr!"

Vor den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2005 war die Reformpresse nachhaltig geschwächt worden, sodass sie nicht mehr in der Lage war, die Bevölkerung für die Reformer zu mobilisieren. Außerdem fühlte sich eine große Mehrheit der Bevölkerung vor allem in den letzten Jahren der Regierung Khatami von dessen Politik und den Reformern enttäuscht, weil diese viele von ihren Wahlversprechungen nicht erfüllt hatten.

Medien unter Ahmadinedschad

Mit dem Regierungsantritt Ahmadinedschads verschlechterte sich die Situation der Presse im Iran deutlich. Während das Ministerium für Kultur unter Khatami noch die Presse unterstützt hatte, entwickelte sich dieses Ministerium unter Ahmadinedschad eher zu einem Instrument der Kontrolle der kritischen Presse.

So wurde aus der Politik der freizügigen Vergabe von Lizenzen für die Herausgabe

Zeitung Hammihan; Foto: dpa
Neue Frontstellung gegen die reformorientierte Presse unter Ahamdinedschad: Auch die gemäßigte Zeitung "Hammihan" des ehemaligen Bürgermeisters von Teheran, Gholam Hossein Karbastschi, wurde 2007 auf Weisung der konservativen Justiz geschlossen.

​​ neuer Zeitungen und Zeitschriften eine Politik des vorab erteilten Verbots.

Auch einige konservative Medien haben inzwischen die Folgen der Radikalisierung der Politik in Iran zu spüren bekommen. So wurde zum Beispiel die konservative Online-Zeitschrift "Baztab" vom Ministerium für Kultur verboten.

Auch die regierungskritische Zeitung "Kargozaran", die den Technokraten um Rafsandschani nahe stand, wurde ebenfalls Anfang Januar dieses Jahres vom Ministerium für Kultur verboten, weil diese Zeitung unter anderem die Erklärung einer studentischen Vereinigung veröffentlicht hatte, in der man der radikal-islamischen Hamas vorwarf, Menschen im Gaza-Streifen als Schutzschilder zu benutzen.

Trotz aller Einschränkungen sind die reformorientierten Journalisten und die reformorientierte Presse in Iran immer noch sehr aktiv, und sie zählen zu den Trägern einer demokratischen Transition. In der Tat entstand vor allem nach dem Beginn des Reformprozesses im Jahr 1997 ein neues Selbstbewusstsein unter Irans regierungsunabhängigen Journalisten.

Die neue Generation von Journalisten im Iran ist heute viel schwerer zu kontrollieren – nicht zuletzt weil junge iranische Journalisten und Journalistinnen gegenwärtig stärker auf das Medium Internet zurückgreifen, nachdem die Printmedien in der Islamischen Republik immer stärker in das Visier der konservativen politischen Kräfte geraten sind.

Ghasem Toulany

© Qantara.de 2009

Ghasem Toulany ist iranischer Journalist und Dozent der Iranistik an den Universitäten Göttingen und Bonn.

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