Hebamme des Friedens

Im Nahen Osten stehen die Chancen gut für einen politischen Ausgleich: Die USA genießen wieder Ansehen in der Region, der Iran ist mit sich selbst beschäftigt, und vor allem Ägypten könnte stabile Verhältnisse schaffen, meint Abdel-Monem Said.

Symbolbild Friedensprozess, Foto: AP
Anlass für neuen Optimismus? Barack Obama jedenfalls ist bemüht, dem israelisch-palästinensischen Verhandlungsprozess wieder Leben einzuhauchen.

​​Der Nahe Osten geht in eine neue Runde auf der Suche nach Stabilität in einer Region, die diesen Zustand nur in Ausnahmefällen kennt. Den Startschuss hat eine neue US-Regierung gegeben, die aus den Fehlern ihrer Vorgänger gelernt hat und bereit ist, das beinahe Unmögliche zu versuchen: endlich für Ruhe und Frieden im Nahen Osten zu sorgen.

Dass der Prozess wieder Schwung erhalten hat, ist bereits zu sehen. Washington möchte die Beziehungen zu Syrien wieder aufwerten. Das Verhältnis zwischen den USA und Ägypten ist wieder auf so gutem Niveau wie früher.

Am wichtigsten aber ist: Zur Abwechslung schweigen an der israelisch-palästinensischen Front die Waffen. Ganz offensichtlich sehnt man sich in Gaza und der Westbank nach Normalität. Das Leben scheint wieder mehr geliebt zu werden als der Tod.

Gegenwind für das Regime

Die Hintergrundkulisse für eine neue Verhandlungsrunde im Nahen Osten sind natürlich die Ereignisse im Iran nach den Präsidentschaftswahlen. Dass dem Regime so heftige Proteste entgegengebracht wurden, hat den radikalen Kräften in der Region schwer zugesetzt.

Viele Beobachter fragten sich, ob sie im Iran den Anfang vom Ende des Gottesstaats sahen oder aber das Ende eines reformerischen Anfangs.

Iranerinnen demonstrieren gegen das Regime in Teheran; Foto: AP
"Wir sind der Iran!" - die massiven Proteste gegen den mutmaßlichen Wahlbetrug Ahmadinedschads und gegen das theokratische Herrschaftssystem haben mittlerweile wieder abgenommen.

​​ Waren die einen der Überzeugung, dass nun ein erster Schritt getan war, die iranische Theokratie ernsthaft ins Wanken zu bringen, glaubten die anderen, dass die Reformbewegung angesichts der brutalen Niederschlagung der Proteste wohl weder über ausreichend Kraft noch über den notwendigen langen Atem verfügt habe. Fürs Erste jedenfalls scheinen die Konservativen ihre Macht konsolidiert zu haben.

US-Präsident Barack Obama ist der zweifelhafte Verdienst zu verdanken, den Hardlinern aus einer prekären Situation geholfen zu haben.

Mit seiner zwar spät, aber doch sehr deutlich geäußerten Mahnung, dass jedes Volk ein Recht auf freie politische Meinungsäußerung hat, lieferte er Präsident Mahmoud Ahmadinedschad und dem geistigen Führer Ali Khamenei den Vorwand, die alten Ängste von einer "äußeren Einmischung" zu schüren und die Proteste blutig zu unterdrücken.

Schwindende Legitimation

Doch was auch immer die Hardliner behaupten mochten: Sie gingen aus dieser Wahl mit enormen Verlusten hervor. Die Legitimationsgrundlage eines Regimes, das im direkten Auftrag Gottes zu handeln vorgibt, ist ernsthaft beschädigt.

Jetzt steckt das Regime in einer Klemme: Soll es bessere Beziehungen zu den USA suchen und damit der Unzufriedenheit in der eigenen Gesellschaft entgegenwirken? Oder mit frischem revolutionärem Eifer verlorenes Terrain wettmachen?

Diese Fragen mögen sich dem iranischen Regime vielleicht nicht zum ersten Mal stellen; ganz sicher aber haben die Demonstrationen den Iran irreversibel verändert.

Wichtig ist: Solange der Iran reichlich damit beschäftigt ist, seine innenpolischen Probleme in den Griff zu bekommen, wird er sich in der Region zurückhalten müssen. Das eröffnet eine Gelegenheit für eine Einigung der Konfliktparteien.

Neue Chancen für den Friedensprozess

Barack Obama jedenfalls bemüht sich an mehreren Fronten, dem israelisch-palästinensischen Verhandlungsprozess wieder Leben einzuhauchen: Im Gegensatz zu seinen Vorgängerregierungen versucht er allen Konfliktparteien gleichermaßen Gehör zu schenken.

US-Präsident Obama spricht in der Cairo University; Foto: AP
Politischer Kampf an mehreren Fronten: US-Präsident Obama verlangt von Israel ein vollständiges Einfrieren des Siedlungsbaus, von der arabischen Seite einen überfälligen Prozess der Normalisierung mit Israel.

​​ Von Israel verlangt er ein vollständiges Einfrieren des Siedlungsbaus, von der arabischen Seite einen überfälligen Prozess der Normalisierung mit Israel. Schließlich formuliert Obama eine Vision für einen Frieden in der Region, mit der alle Beteiligten leben können.

Allerdings könnte man wohl kaum behaupten, dass es schon vorzeigbare Ergebnisse gäbe. Weder zeigen die Israelis irgendwelche Anstalten, den Ausbau ihrer Siedlungen in der Westbank einzufrieren. Noch bewegen sich die arabischen Staaten sichtbar in Richtung einer Normalisierung.

Die besondere Rolle Ägyptens

Kairo wäre wohl bereit, seine Beziehungen zu Israel wesentlich herzlicher zu gestalten, doch ohne einen Stopp des Siedlungsbaus wird es nichts in diese Richtung unternehmen. Saudi-Arabien wiederum ist bereit, alle anderen arabischen Staaten zu einer Normalisierung mit Israel zu bewegen, wird selbst jedoch bis zum Schluss mit einem solchen Schritt warten.

Obama bleiben allerdings einige Mittel, die er offensichtlich auch bereit ist zu nutzen. In seiner Kairoer Rede hat er gezeigt, wie wirkungsvoll es ist, sich direkt an die Konfliktparteien zu wenden. Ganz offensichtlich denkt der Präsident darüber nach, auch direkt zur israelischen Öffentlichkeit zu sprechen, um sie in der Siedlungsfrage kompromissbereiter zu stimmen.

Das Ansehen, dass die USA nun wieder genießen, kommt ihm dabei zugute. Vorbei sind die Tage, als eine US-Regierung die Europäer je nach dem Grad der Gefolgschaft, die sie Washington leisten wollten, in "alt und "neu" aufteilen konnte.

Einzelne europäische Staaten – genau wie die EU – sind sich mit Washington darüber einig: Der israelisch-palästinensische Konflikt dauert schon viel zu lange und er schadet den westlichen Interessen. Auch Japan, Russland, China und Indien wünschen sich eine Beendigung des Dauerkonflikts.

Von enormer Bedeutung für die Bemühungen der USA aber sind die Beziehungen zu Ägypten. Nicht zuletzt deshalb gehörte Präsident Mubarak zu den ersten Staatschefs, die einen Anruf des neuen Präsidenten aus dem Weißen Haus erhielten.

Das israelisch-ägyptische Verhältnis

Seit dem Abschluss des Friedensvertrags mit Israel von 1979 hat Kairo an einer Lösung des arabisch-israelischen Konflikts gearbeitet. Auch wenn die Beziehungen zu Israel gewiss nicht frei von Krisen waren, so ist es den beiden Ländern doch gelungen, ihre Differenzen gütlich zu regeln.

Camp-David-Friedensschluss zwischen Ägypten und Israel; Foto: AP
Zäsur in den israelisch-ägyptischen Beziehungen: Seit dem Abschluss des Friedensvertrags mit Israel von 1979 arbeitet Kairo an einer Lösung des arabisch-israelischen Konflikts, meint Abdel-Monem Said.

​​ Während des Gaza-Kriegs vom Jahreswechsel konnten Israel und Ägypten gemeinsam einen Waffenstillstand herbeiführen und damit eine humanitäre Katastrophe verhindern. Ägypten bemüht sich intensiv um eine Kooperation zwischen den zerstrittenen palästinensischen Parteien Hamas und Fatah und wirbt zusammen mit der jordanischen Führung um einen Friedensschluss der arabischen Welt mit Israel.

Natürlich gibt es keine Erfolgsgarantie für die ägyptischen oder amerikanischen Anstrengungen. Doch selbst, wenn man in dieser Region immer noch ungern eine Gelegenheit verpasst, eine Gelegenheit zu verpassen, stehen die Chancen für eine friedliche Beilegung des arabisch-israelischen Konflikts jetzt besser als je zuvor.

Entscheidend für einen Erfolg ist die Frage, wie und ob Syrien in die Friedensbemühungen einzubinden wäre. Washington hat hier einige Erfolge erzielen können: Die diplomatischen Beziehungen zu Syrien wurden wieder aufgenommen.

Der zweite "Schlüssel zum Frieden"

Und jetzt, da wieder eine Gesprächsebene mit Syrien hergestellt wurde, können sich Damaskus und Washington gemeinsam darum kümmern, das politische System des Libanon zu stabilisieren – vor allem, nachdem die Hisbollah in den jüngsten Parlamentswahlen nicht die von ihr angestrebte Mehrheit erzielen konnte.

Dass sich die Hamas derzeit still verhält und einigen Kooperationswillen bei den von Ägypten moderierten Gesprächen für eine Einheitsregierung zeigt, ist ebenfalls syrischem Einfluss geschuldet.

Den zweiten "Schlüssel zum Frieden" hält Israel in der Hand: Ein Frieden rückt jetzt näher. Und jetzt muss Israel sich entscheiden, ob es zum Nahen und Mittleren Osten gehören will oder ob es ein Außenseiter bleiben möchte. Auf Kosten der Palästinenser kann es jedenfalls unter keinen Umständen ein akzeptierter Teil der Region werden.

Keines dieser beiden Länder – Syrien ebenso wie Israel – ist ein einfacher Partner. Aber es dürfte nicht unmöglich sein, sie an Bord zu holen, wenn Obama dem Nahen und Mittleren Osten weiterhin einen großen Teil seiner Aufmerksamkeit schenkt und sich nicht vom Weg abbringen lässt.

Abdel-Monem Said

© Internationale Politik 2009

Abdel-Monem Said ist Direktor des "Al-Ahram Centre for Political and Strategie Studies" in Kairo.

Qantara.de

Obamas Reise in den Nahen Osten
Wiederbelebung einer Fata Morgana?
Von US-Präsident Barack Obama wird erwartet, dass er auf allen Seiten für die Wiederbelebung der Zweistaatenlösung im Nahen Osten wirbt. Doch wie tragfähig ist dieses Konzept noch? Antworten von Bettina Marx

Interview mit Sari Nusseibeh:
"Menschliche Werte einen, religiöse trennen!"
Der bekannte palästinensische Philosophieprofessor und Träger des Lew-Kopelew-Preises, Sari Nusseibeh, plädiert im Interview mit Mohanad Hamed und Adham Manasreh für eine pragmatische Lösung des Nahostkonflikts, insbesondere in der Flüchtlingsfrage – und erklärt, warum die Militarisierung der zweiten Intifada den Interessen der Palästinensern schadet.

Nah- und Mittelostpolitik der Obama-Administration
Auf der Suche nach einem neuen strategischen Imperativ
Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Thomas Jäger ist mit einer grundlegenden Neubestimmung amerikanischer Mittelost-Politik unter Präsident Obama nicht zu rechnen. Für das Engagement der USA im Mittleren Osten wird entscheidend sein, ob die amerikanische Außenpolitik einen anderen ordnungspolitischen Rahmen erhält als den "Krieg gegen den Terrorismus".

www

Webseite Internationale Politik