Westlicher Zwiespalt und persische Skepsis

Das außenpolitische Klima zwischen dem Iran und der internationalen Staatengemeinschaft verschlechtert sich zusehends – vor allem wegen der kompromisslosen Haltung Teherans im Atomkonflikt und den westlichen Sanktionen. Ein Essay von Philipp Schweers

Panel-Teilnehmer auf der Sicherheitskonferenz in Teheran; Foto: Philipp Schweers
Auf der Sicherheitskonferenz wurde erneut deutlich, dass sich Teheran vor einer omnipräsenten Bedrohung an den eigenen Grenzen fürchtet und dies nutzt, um den Nationalismus im eigenen Land zu überhöhen.

​​Ob Regenbogenpresse oder hochakademische Wochenzeitung – der Iran ist mittlerweile fester Bestandteil der alltäglichen Nachrichtenflut geworden.

Dabei grenzt der standardisierte Bericht über den Iran insbesondere in den Boulevardmedien in der intellektuellen Tragweite irgendwo an propagandistische Rhetorik des Kalten Krieges und spätmittelalterliche Hexenjagd.

Doch jenseits plakativer Dämonisierungsstereotypen und westlicher Feindbildsuche sind die außenpolitischen Realitäten weit weniger gegensätzlich als die zumeist plakative Berichterstattung glauben machen will.

Die Positionen, die beispielsweise im Rahmen der 18. Internationalen Konferenz zur Sicherheit und Kooperation der Golfstaaten“ vor gut zwei Wochen in Teheran referiert wurden, zeichnen ein fast symbolhaftes Bild struktureller Wahrnehmungsdifferenzen.

Westlicher Zwiespalt

Von europäischer Konsensorientierung bis hin zu chinesischem Pragmatismus – die Positionen der angereisten Teilnehmer zeichneten sich insbesondere durch ihren kooperativen Grundansatz aus.

Atomkraftwerk im Südiran; Foto: AP
Irans Vorhaben, die Kernenergie zu nutzen, ist Dreh- und Angelpunkt des anhaltenden Konflikts zwischen dem Westen und der Führung der Islamischen Republik.

​​Viele westliche Experten sahen die Chance zur friedlichen Deeskalation im Spannungsfeld zwischen Iran und der internationalen Staatengemeinschaft – bei Beachtung gewisser Verhaltensregeln auf beiden Seiten.

In einem bemerkenswerten Beitrag erläuterte der amerikanische Vertreter, Woodrow-Wilson-Scholar Dr. Selig S. Harrison, seine Vorstellungen von einem schrittweisen Abzug sämtlicher ausländischer Truppen aus der Region, sollte Iran seine regionale Strategie in partnerschaftlicher Weise mit denen seiner Nachbarn und externen Akteuren in Einklang bringen.

Der Knackpunkt der meisten westlichen Ansätze allerdings besteht bis heute auf dem iranischen Einlenken als Grundbedingung für ein weiteres Entgegenkommen. Einer gleichwertigen Politik auf Augenhöhe entspricht dies nur bedingt.

Verhärtete Fronten

Gleichzeitig droht sich die iranische Position zwischen zaghaft ausgesendeten Friedenssignalen und trotzig-nationalistischer Großmachtsrhetorik zu zerreißen.

Auf der einen Seite bemüht sich Teheran um internationalen Anschluss sowie ökonomische Wohlstandspartizipation. Andererseits wird die, aus iranischer Perspektive, omnipräsente Bedrohung an den eigenen Grenzen gerne dazu benutzt, den Nationalismus der Islamischen Republik zu überzeichnen.

Diese Ambivalenz war auch im Rahmen dieser Konferenz in Teheran zu erkennen, die den vielversprechenden Untertitel "Grounds for Regional Cooperation, Stability and Security" trug.

Manch iranischer Redner äußerte größtes Interesse an dem Verhandlungspaket der Europäischen Union und am direkten Dialog mit den USA, um gleichzeitig aber auch den persischen Anspruch auf fragliche Inseln im Golf zu bekräftigen oder das eigene Nuklearprogramm zu legitimieren.

Kernelement der iranischen Position ist nicht die Feindschaft zum Westen und dessen Dämonisierung. Auch die Gefahr eines revolutionären "Spill-overs" des iranischen Theokratie-Modells erscheint nur wenig realistisch. Schließlich erreicht die revolutionäre Attraktivität des Irans als schiitisch-hierarchisches Unikum die mehrheitlich sunnitisch-islamischen Gesellschaften derzeit kaum.

Symbolbild Bush-Ahmadinedschad; Foto: AP
Die jüngsten iranischen Mittelstreckenraketen-Tests zeigen, dass der Iran unter Ahmadinedschad von der Furcht vor einer Umkreisung durch einen "äußeren Feind", die USA, beherrscht zu sein scheint.

​​Die iranische Außen- und Sicherheitspolitik scheint vor allem von der Furcht vor einer Umkreisung durch einen "äußeren Feind" beherrscht zu sein.

Die im Verlauf der Konferenz von Mitarbeitern des Außenministeriums auf Karten dargestellten Stellungen ausländischer Truppen in der Region sprechen eine klare Sprache: Von Afghanistan über Saudi-Arabien, dem Irak bis hin zu US-amerikanischen Flottenverbänden im Persischen Golf – die iranische Führung sieht sich umzingelt von mehr oder weniger feindlich gesonnenen Kräften.

Suche nach Verständigung und Kompromiss

Die Frage ist daher, wie sich aus den gegensätzlichen Wahrnehmungen ein zukunftsfähiger Dialog und stabilitätsfördernde Politik in der Region künftig gestalten könnte.

Der Westen ist gefangen zwischen halbherzigen Dialogbemühungen und kaltkriegerischer Containment-Politik. Der Iran hingegen schwankt zwischen einer Politik der Skepsis und direkter Ablehnung westlicher Verhandlungsinitiativen. US-amerikanische Verbalattacken verleihen den nationalistischen Kräften in Teheran zusätzlich Auftrieb.

Nach einer fast 30jährigen Sanktionsgeschichte der Islamischen Republik Iran sind neuerliche Blockadeverschärfungen ein denkbar schlechter Lösungsansatz. Eine druckvolle Politik der regionalen Einbindung ist vielmehr gefragt.

Aber auch eine vorbehaltlose Dialogbereitschaft westlicher Akteure – insbesondere direkte Verhandlungen zwischen den USA und Iran wären ein erster Schritt in eine positive Richtung, die dem neuen iranischen Nationalismus den Boden entziehen könnten.

Philipp Schweers

© Qantara.de 2008

Qantara.de

UN-Resolution gegen den Iran
Widersprüchliche Strategien
Die UN-Vetomächte und Deutschland haben sich in Berlin auf eine neue Resolution gegen den Iran verständigt. Darin sollen die bestehenden Sanktionen "moderat verschärft" werden. Bahman Nirumand wirft einen Blick auf die Widersprüche der bisherigen Iran-Politik.

USA unterstützen militante Gruppen im Iran
Washingtons fragwürdige Freunde
Um das Regime in Teheran zu stürzen, finanzieren die USA Untergrund-Aktivitäten im Iran. Dabei werden Gruppen unterstützt, die Washington normalerweise als islamistisch und terroristisch einstufen würde. Peter Philipp berichtet.

Bahman Nirumand: Iran - Die drohende Katastrophe
Das Feindbild der USA
Die Verhärtung Irans im Atomkonflikt ist eine Reaktion auf die unflexible Haltung der USA und ihren unbedingten Willen, Iran zu isolieren. Zu diesem Schluss kommt der Publizist Bahman Nirumand in seinem Buch "Iran – Die drohende Katastrophe". Peter Philipp hat es gelesen.