Die Frau, die al-Qaida den Kampf ansagt

Mauretanien hat als erstes arabisches Land eine Außenministerin – ein Anzeichen wachsender Modernität in dem nordwestafrikanischen Staat, wie Rudolph Chimelli meint.

Nahé Mint Hamdi Ould Mouknass; Foto: &copy Al-Arab
Will den Kampf gegen das al-Qaida-Netzwerk intensivieren: Mauretaniens Außenministerin Nahé Mint Hamdi Ould Mouknass

​​Hätte ein arabisches Musterland der Frauen-Emanzipation wie Tunesien eine Außenministerin, es erhielte dafür lautes Lob aus Europa.

In Mauretanien übernahm Nahé Mint Hamdi Ould Mouknass als erste Frau aller arabischen Länder dieses Amt – und nur Fachleute nahmen davon Notiz. Das riesige Wüstenland mit nur drei Millionen Einwohnern liegt eben an der atlantischen Peripherie der islamischen Welt.

Nahé Mint Mouknass ist 40 Jahre alt und nach ihrer Ausbildung Medizinerin. Sie entstammt einer wohlhabenden Händler-Familie aus dem Norden und gehört dem Elguera-Stamm an.

Das politische Erbe des Vaters

Schon ihr Vater war unter dem ersten Präsidenten nach der Unabhängigkeit von Frankreich, Mohtar Ould Daddah, zehn Jahre lang Außenminister. Er hatte in jener Zeit den beginnenden Westsahara-Konflikt zu bewältigen. Vom Vater erbte sie vor einem Jahrzehnt die Partei Union der Kräfte des Fortschritts (UFP).

Im Parlament, wo es für Frauen reservierte Mandate gibt, verfügt die UFP über acht Sitze. Ihre Vorsitzende wurde als Abgeordnete von Nouadhibou gewählt und saß im außenpolitischen Ausschuss.

Als beinahe erste Amtshandlung verlangte die Außenministerin "eine neue Strategie im Kampf gegen Armut und Unwissenheit", um al-Qaida zu bekämpfen.

Mohammed Ould Abdel Aziz; Foto: AP
Mohammed Ould Abdel Aziz hatte den ersten demokratisch gewählten Präsidenten Mauretaniens, Sidi Ould Sheikh Abdallahi, mit einem unblutigen Putsch gestürzt und die Wahlen im letzten Juli gewonnen.

​​Extremisten, die sich zu dieser Gruppe bekennen, hatten Anfang August einen Selbstmord-Anschlag auf die französische Botschaft in der Hauptstadt Nouakchott verübt. Den Terrorismus nennt die Ministerin ein Verhalten, das "dem mauretanischen Volk völlig fremd ist".

Präsident Mohammed Ould Abdelaziz, der sie ernannte, hatte sich vor einem Jahr durch einen unblutigen Militärputsch an die Stelle des ersten demokratisch gewählten Staatschefs Mauretaniens gesetzt.

Gute Beziehungen zu Libyens Revolutionsführer

Als der General in dieser Lage Unterstützung im Ausland brauchte, half ihm Nahé Mint Mouknass durch ihre guten Beziehungen zu Libyens Revolutionsführer Muammar el-Gaddafi.

Nachdem Ould Abdelaziz im Juli seine Herrschaft durch einen Wahlsieg mit absoluter Mehrheit legitimiert hatte, wollte er Nahé Mint Mouknass durch die Bestellung zur Ministerin offensichtlich nicht nur persönliche Anerkennung bekunden. Auf der Suche nach einer breiten Basis ernannte er zugleich noch fünf weitere Ministerinnen für sein 27köpfiges Kabinett.

In der mauretanischen Gesellschaft haben Frauen traditionell mehr Freiheiten als in den Nachbarländern. Dass der Imam der zweitgrößten Moschee der Hauptstadt fast eine Stunde gegen die Ernennungen predigte, störte den Präsidenten nicht.

Sklaverei in Mauretanien; Foto: AP
In Mauretanien wurde die Sklaverei zwar 1981 offiziell verboten, aber erst 2008 per Gesetz unter Strafe gestellt. Dennoch leben noch heute bis zu zehn Prozent der rund drei Millionen Einwohner nahezu wie Leibeigene.

​​Auch den Schwarzafrikanern, den als Nachkommen der Sklaven stets benachteiligten Unterschicht im Land, räumte der Präsident wichtige Posten ein.

Ihnen hatte er entscheidende Wählerstimmen zu verdanken. Unter anderem erhielten sie die Ministerien für Inneres, für Finanzen, für Verwaltung sowie das Sekretariat des Präsidialamtes.

Die Außenministerin gehört der arabisch-berberischen Oberschicht an. Deren uralte Herrschaft soll durch sichtbare Zeichen eingeschränkt werden. Eine Organisation zur Bekämpfung der Leibeigenschaft in Mauretanien mit Sitz in Frankreich stellt Nahé Mint Mouknass als Nummer 149 auf ihre "Liste maurischer Sklavenhalter".

Ihr wird vorgeworfen, sie halte viele Leibeigene für Hausarbeiten, als Viehhirten, zur Bewirtschaftung der Palmengärten, für die Begleitung der Kinder in die Schule. Gesetzlich ist die Leibeigenschaft bereits seit 1981 abgeschafft.

Rudolph Chimelli

© Süddeutsche Zeitung 2009

Rudolph Chimelli ist Nahostexperte und langjähriger Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung".

Qantara.de

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