Ein zweischneidiges Schwert

Der "Erste islamische arabische Kongress in Europa" hätte in Berlin stattfinden sollen. Weil im Internet der "Widerstand gegen amerikanischen und zionistischen Terror" gutgeheißen wurde, wurde der Kongress nun verboten. Ein Kommentar von Peter Philipp

Das hätte ja auch mehr als merkwürdig ausgesehen: Bundesinnenminister Otto Schily tritt auf einer Anti-Terrorismuskonferenz in Israel auf und unterstreicht dort die Entschlossenheit Berlins, wirkungsvolle Maßnahmen gegen den Terrorismus zu ergreifen. Auch werden deutsche Politiker nicht müde, das deutsche Engagement in Afghanistan als aktiven Beitrag in dieselbe Richtung anzupreisen.

Und dann hätte in Berlin ein Kongress stattfinden sollen, dessen weitgehend unbekannte Veranstalter im Internet ankündigten, die Veranstaltung richte sich gegen Amerikaner und Zionisten und rufe zum Kampf gegen diese auf.

Eine solche Veranstaltung hätte viel von der Glaubwürdigkeit zerstört, die Deutschland sich in der Konfrontation mit extremistischen und terroristischen Gruppen seit dem 11. September erworben hat. Es war deswegen das Gebot der Stunde, die Veranstaltung zu verhindern.

Nur: Ganz so leicht ist das nicht in einem Rechtsstaat. Eine geschlossene Veranstaltung in einem Berliner Hotel nämlich braucht keine vorherige Anmeldung und Genehmigung. Und wenn die Teilnehmer sich auch noch weitgehend von der Öffentlichkeit abschotten, indem sie diese gar nicht erst zu dem Kongress einladen, dann kann man erst recht nichts dagegen unternehmen. Oder doch nur sehr wenig.

Das "Wenige" haben die Behörden nun unternommen: Man nahm die Formulierung der Internet-Ankündigung zum Anlass, die Veranstaltung als Verstoß gegen die politischen und gesellschaftlichen Normen der Bundesrepublik definieren und deswegen zu untersagen.

Zuvor bereits war einer der Veranstalter, ein eigentlich in Deutschland lebender Libanese, bei der Rückkehr aus Beirut nicht wieder ins Land gelassen, sondern zurückgeschickt worden.

Rechtlich mögen diese Maßnahmen anfechtbar sein, aber wer wollte sie jetzt wohl anfechten? Jetzt ist die Welt wieder in Ordnung: In Berlin werden keine Islamisten tagen und der Ruf Deutschlands wird durch solch ein Treffen nicht beschädigt.

Das Grundproblem aber bleibt bestehen: Es gibt in Deutschland bisher keine oder kaum eine Handhabe gegen islamistische Gruppen und Individuen, außer wenn sie offen Gewalt ausüben und das Gesetz brechen sollten.

Auf bloßen Anfangsverdacht hin kann – und darf – kein Muslim in seiner Freiheit eingeschränkt werden, dürfen auch nicht die Moscheen unter Observation gestellt werden. Ganz abgesehen davon, dass es dem Staat an Möglichkeiten und geeigneten Mitarbeitern mangelt, dies alles zu kontrollieren und im Auge zu behalten.

Was aber tun mit Radikalen, die gleich die ganze Gemeinschaft in Verruf bringen? Natürlich muss Hasspredigern das Mikrofon entzogen werden, müssen Publikationen und Kurse beobachtet werden. Nicht als restriktive, sondern als schützende Maßnahme.

Denn hiermit schützt man auch – und in erster Linie – die Masse der unbescholtenen Muslime im Land, die mit den Radikalen nichts zu tun haben wollen. Und man schützt auch das friedliche Zusammenleben in dieser Gesellschaft, die lange genug gebraucht hat zu erkennen, dass sie multikulturell ist und die dieses Attribut wieder zu verlieren droht, wenn es Radikalen gelingt, Freiheiten zu missbrauchen, neue Gräben aufzureißen oder alte zu vertiefen.

Peter Philipp

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004