Keine Gefahr eines neuen Religionskrieges

Nun sind auch christliche Kirchen ins Visier der Terroristen im Irak geraten. Was hat dies zu bedeuten? Den Beginn eines neuen Religionskrieges? Peter Philipp analysiert die jüngsten Angriffe.

US-Soldaten vor einer der angegriffenen Kirchen in Bagdad, Foto: dpa
US-Soldaten vor einer der angegriffenen Kirchen in Bagdad

​​Anschläge auf Kirchen und die uralte christliche Minderheit im Irak hatte es bisher nicht gegeben. Nach den Bomben des vergangenen Wochenendes wäre es aber sicher falsch, von einer gezielten Kampagne besonders gegen Christen zu sprechen.

Vielmehr entspricht das Vorgehen der Terroristen eher dem Grundkonzept ihres Handelns: Die Bevölkerung zu terrorisieren, einzuschüchtern und zu spalten. Nur eine derart unter Druck gesetzte – terrorisierte – Bevölkerung bietet für die Terroristen einigermaßen Gewähr, dass sie weiterhin relativ ungestört ihr Unwesen treiben können.

Ermutigendes Signal

Die Christen und ihre Kirchen sind deswegen nicht unbedingt eine "neue Zielscheibe" der Terroristen, sondern sie geraten in deren Visier, wie die irakische Zivilbevölkerung überhaupt in letzter Zeit ins Zentrum der terroristischen Angriffe rückt.

Das liegt weniger daran, dass die Amerikaner heute besser geschützt oder weniger augenfällig wären. Sondern eher daran, dass die Gegner jeder Normalisierung im Irak sich nun in erster Linie darauf konzentrieren, die Arbeit der Übergangsregierung zu sabotieren.

In der irakischen Bevölkerung hat man die Einsetzung dieser Regierung begrüßt, obwohl man natürlich weiß, dass diese an der amerikanischen Leine liegt. Dass nun aber zunehmend Iraker für den Irak zuständig sein sollten, war vielen ein ermutigendes Signal.

Und je mehr dieser Versuch gelingen sollte, desto weniger wäre die Bevölkerung bereit, sich ihm mit Gewalt zu widersetzen oder auch nur die Terroristen gewähren zu lassen. Die Anschläge zielen deswegen auf Angehörige und enge Mitarbeiter der Übergangsregierung ab und auf die Bevölkerung selbst.

Gefahr für Terroristen

Neu ist das nicht: Die schweren Anschläge auf Schiiten in Kerbala und Najjaf und die wiederholten Angriffe auf Kurden im Norden sind Beispiele für diese mörderische Taktik. Die Täter sind in den meisten Fällen nicht gefunden oder auch nur klar identifiziert worden, ihr Ziel aber ist klar:

Es sollen Argwohn und Zwietracht gesät werden unter den verschiedenen Volks- und Religionsgruppen des Landes, ja selbst innerhalb dieser Gruppen, um die hoffnungsvollen Ansätze eines geeinten und vereinten Auftretens zu zerstören, die man nach dem offiziellen Ende des Krieges beobachten konnte.

Da hatten Schiiten, Kurden und auch einige sunnitische Vertreter darauf bestanden, dass sie sich nicht würden auseinander dividieren lassen und dass sie gegen eine Aufteilung des Irak sind.

Eine geeinte und vereinte Bevölkerung aber ist mittel- wie langfristig eine Gefahr für die Terroristen. Das wissen diese und sie versuchen, dies zu verhindern. Hierbei bieten sie keine - auch noch so verquere - Alternativen an, sondern sie tun das einzige, wozu sie fähig sind: Sie üben Terror aus und verbreiten Angst und Schrecken - jetzt auch unter der 2000 Jahre alten und inzwischen nur noch 800.000 Mitglieder zählenden christlichen Gemeinde.

Peter Philipp

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2004