Der Fluch des Öls

Die USA nehmen Afrika als Erdöllieferanten immer mehr ins Visier. Für einige Länder dort ist das Öl mehr Fluch als Segen. Korruptionsgelder westlicher Erdölfirmen heizen die Machtkämpfe zusätzlich an.

Ölraffinerie in Nigeria, Foto: AP
Ölraffinerie in Nigeria

​​Während die Weltöffentlichkeit des zehnten Jahrestages des Genozids in Ruanda gedenkt, findet nach Ansicht der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) an anderer Stelle Afrikas ein neuer Völkermord statt. "Eine Million Menschen drohen im Sudan zu verhungern, weil die sudanesische Regierung humanitäres Völkerrecht missachtet und Hunger als Waffe einsetzt", heißt es in einer Stellungnahme des Generalsekretärs der Organisation, Tilman Zülch. Die GfbV wirft arabischen Milizen - die das arabische Regime in Khartum angeblich unterstützen - Massentötungen und -vergewaltigungen in der westlichen Region Darfur vor. Kinder seien entführt, Vieh getötet und Dörfer geplündert worden. Sorgen bereitet der Konflikt auch den USA: Sie haben Personal in die Region gesandt, um die Verteilung von Hilfsgütern zu organisieren.

Die "humanitäre Hilfe" ist jedoch nicht ganz selbstlos. Die US-Regierung ist an einer stabilen Lage im Sudan interessiert. Schließlich stehen amerikanische Öl-Interessen auf dem Spiel. Und die sind längst nicht auf den Sudan beschränkt. "Die USA haben ein vitales und - ein durchaus steigendes - nationales Interesse in West- und Zentralafrika". Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Untersuchung des Washingtoner Think-Tanks CSIS (Center for Strategic and International Studies). Afrika sei eine Schlüsselregion, um die "Diversifizierung der Energieversorgung" des Landes künftig abzusichern. Die Abhängigkeit von Öllieferungen aus dem krisengeschüttelten Mittleren und Nahen Osten, in dem die Ölvorräte sich dem Ende zuneigen, soll verringert werden.

Westafrika wieder für USA interessant

In Afrika sieht die Erdölindustrie ein enormes Potential. "Viele der Ölreserven dort sind noch gar nicht erschlossen", sagt Antonie Ford, Leiterin der Afrika-Abteilung bei der Heinrich-Böll-Stiftung. Bis 2010 sollen ein Viertel der Ölimporte der USA aus Afrika stammen. Besonders viel versprechen sich amerikanische Erdölfirmen wie Exxon Mobile von den Vorkommen in Westafrika. Sie liegen meist vor der Küste, sind damit sicher vor Bürgerkriegen und besonders leicht und schnell in die USA per Schiff zu transportieren. "In westafrikanischen Staaten investieren die Amerikaner massiv, auch die Zahl der diplomatischen Vertretungen hat sich dort in den vergangenen zwei Jahren erhöht", sagt die Afrika-Expertin Ford zu DW-WORLD.

Besonders geschätzt ist beispielsweise Äquatorialguinea. Erst kürzlich wurden hier Ölvorräte entdeckt, die in der Branche Begeisterung auslösten. "Jede zweite Bohrung ist ein Treffer", schwärmte ein Mitarbeiter einer Erdöl-Erkundungsfirma im Interview mit einer deutschen Tageszeitung. Die Öl-Ressourcen bergen eigentlich auch für die Länder enorme Entwicklungspotentiale. "Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass gerade ressourcenreiche Länder in Afrika am meisten unter Bürgerkriegen und korrupten Regierung leiden", sagt Ford. "Nur eine kleine privilegierte Schicht profitiert vom Ölreichtum, die Bevölkerung leidet, da alle anderen Wirtschaftsbereiche vernachlässigt werden". In Nigeria stammen rund 70 Prozent der Einnahmen aus dem Ölgeschäft. Über zwei Drittel der Bevölkerung lebt in Armut.

Mit Transparenz gegen Instabilität

Westliche Ölfirmen sichern sich dabei ihre Geschäft häufig über hohe Bestechungsgelder und fördern damit die Korruption. Nach einem Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) sollen in Angola zwischen 1997 und 2002 jedes Jahr 700 Millionen US-Dollar auf dem Wege zwischen Ölfirmen und Zentralbank versickert sein. Die Aussicht, vom flüssigen Gold derart zu profitieren, fördert die Instabilität ressourcenreicher Staaten. Die Rebellen, die sich im vergangenen Jahr im ölreichen Inselstaat Sao Tomé, an die Macht putschten, nannten das Erdölgeschäft als eine ihrer Motivationen für den Coup.

"Die Ölgeschäfte müssen transparenter werden", sagt Ford. Der "Fluch des Erdöls" könne gebannt werden. "Alle Ölkonzerne sollten die 'Publish what you pay'-Initiative unterstützen", sagt Ford. Danach würden sich Ölkonzerne selbst verpflichten, ihre Zahlungen offenzulegen. Die Kampagne war 2002 von US-Milliardär George Soros und dessen Open-Society-Institute initiiert worden. In die gleiche Richtung weist die "Extractive Industries Transparency"-Initiative, die vom britischen Premierminister Tony Blair im gleichen Jahr auf dem Weltgipfel in Johannesburg gestartet worden war. Sie sieht vor, dass auch die Regierungen und staatliche Ölfirmen über ihr Ölgeschäft mehr informieren. "Die Ideen fanden international großen Anklang. Shell und BP waren auch bereit mitzumachen". Dagegen erteilte der amerikanische Konzern Exxon Mobile eine klare Absage.

Steffen Leidel

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