Vom Traum zum Alptraum

Viele Exilanten träumen davon, in ihre Heimat zurückzukehren und dort einen Beitrag zur Entwicklung ihres Landes zu leisten. Mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen haben, beschreibt Frederik Richter am Beispiel Ägyptens.

Skyline von Kairo, Foto: AP
Viele Ägypter kehren in ihre Heimat zurück, um dort zu investieren - manchmal mit katastrophalen Folgen

​​Manchmal braucht Liebe klare Schnitte, auch die Liebe zum eigenen Land. "Wenn ich operiere, darf niemand näher als einen Meter an mich heran kommen", meint Hosni Saber.

Das ist seine Ausnahme, ansonsten gilt für den ägyptischen Arzt für orthopädische Chirurgie: "Wenn ich hier Auto fahre, mache ich das nach den Regeln von Kairo, wenn ich in Deutschland fahre, nach den deutschen Regeln. Man darf keine Doppelmoral haben, aber man sollte sich anpassen, um weniger Probleme zu haben."

Hosni Saber ist Ägypter, hat aber einen Großteil seines Lebens in Deutschland verbracht. In Wolfsburg hat er seit 1992 ein orthopädisches Zentrum. Jetzt will er eine Praxis für Telemedizin in Kairo eröffnen.

Das ägyptische Gesundheitssystem ist so unterentwickelt, dass viele Ägypter nach Deutschland fliegen, nur um sich ein Rezept ausstellen zu lassen. In Kooperation mit einer deutschen Universitätsklinik will Saber in Zukunft ägyptische Patienten über Bildschirme von deutschen Kollegen untersuchen lassen und Laborproben von Zellgeweben vor Ort entnehmen, die dann in Deutschland analysiert werden.

"Ich war durch Kongresse immer Teil der orthopädischen Szene hier, deswegen bin ich kein Fremdkörper. Sonst kann man es auch nicht schaffen."

Unternehmergeist trotz Rückschlägen

Auch Mohammed El-Sharkawi ist immer in Verbindung mit seinem Heimatland Ägypten geblieben, obwohl er seit den sechziger Jahren in Deutschland gelebt hat. Zunächst als Maschinenbauer, dann selbständig als Exporteur von gebrauchten Maschinen in den Nahen Osten. Bis auch er sich entschied, in seiner Heimat zu investieren. In der Nähe von Kairo will er jetzt Wasserzähler für den ägyptischen Markt und umliegende Länder produzieren.

Für ausländische Investoren sieht er die Beschaffung von zuverlässigen Informationen über den ägyptischen Markt als größte Herausforderung an. Beispiel Personalkosten: "Sie können im Markt einen Mechaniker für 300 ägyptische Pfund finden, nur, der wird nicht arbeiten. Erst wenn Sie ihm 1.000 Pfund geben, dann arbeitet der auch."

Beide haben gescheiterte Versuche hinter sich. Einmal warf die Abwertung des ägyptischen Pfunds die Planungen von Hosni Saber über den Haufen, nachdem die ägyptische Regierung im Jahr 2003 ihre Währung in freies Floaten an den Devisenmärkten entließ. Ein anderes Mal war es die Unzuverlässigkeit lokaler Partner, die doch so wichtig sind, um mit den ägyptischen Behörden umzugehen.

Unternehmergeist und die Zuneigung zu Ägypten, für sie neben Deutschland noch immer Heimat, haben Saber und El-Sharkawi neue Anläufe nehmen lassen. Sie wollten mehr tun, als nur Geld überweisen.

"Das Land sehen, als wäre man verliebt"

Etwa 45.000 Ägypter leben in Deutschland. Nach einem Bericht der ägyptischen Regierung haben sie allein im ersten Quartal 2004 37, 2 Millionen US-Dollar nach Ägypten überwiesen. Einer von ihnen ist Omar Moneem von der deutsch-ägyptischen Reederei Ibramar. Er ist mittlerweile in beiden Ländern unterwegs, aufgewachsen ist er in Deutschland.

Anfangs musste er sich an die mangelnde Verlässlichkeit des gesprochenen Wortes und die emotionale Geschäftsweise der Ägypter gewöhnen: "Jemand sagt sofort, er sei zu einem Projekt bereit, aber er sagt eigentlich nur aus Freundlichkeit zu. Man muss das Land wie jemanden sehen, in den man frisch verliebt ist. Dann sieht man nur die guten Seiten.”

Mustafa Khattab [Name geändert] befindet sich da schon längst im Rosenkrieg einer gescheiterten Ehe mit seinem Land. Er sitzt in seinem Auto vor einem Hochhaus ganz in der Nähe der deutschen Botschaft in Kairo und hat alle Fenster und Türen verriegelt. Zwei junge, tadellos gekleidete Ägypter reden trotzdem auf ihn ein. Sie sind Immobilien-Makler und wollen von Khattab eine Monatsmiete haben, für ihre angeblichen Dienste beim Finden von neuen Mietern für Khattab.

Für den ist das nur ein weiterer Versuch seiner Landsleute, ihn auszunehmen, er hat die beiden noch nie gesehen. Das erzählt er während einer Verfolgungsjagd, die sich um den Gezira-Club auf der noblen Kairoer Nil-Insel Zamalek anschließt. Nach einer Runde um den Club versucht Khattab vergeblich, sich durch die Tiefgarage in seine Wohnung zu schleichen.

Korruption und Seilschaften

So berichtet er ein anderes Mal von seinen verlorenen Investitionen in seinem Heimatland. Dabei macht er immer wieder regen Gebrauch von deutschen Schimpfwörtern, die er während seines Studiums in Aachen und später bei einem großen deutschen Industrieanlagenbauer gelernt hat.

Mustafa Khattab gründete vor einigen Jahren die ägyptische Tochtergesellschaft. Anfangs holte er mit seiner Kenntnis seines Heimatlandes Auftrag um Auftrag. Bis er in das Geschäft mit Filtern für Zementfabriken einsteigen wollte und damit auf das Terrain einer staatlichen ägyptischen Firma geriet.

Schnell fand er sich in einem Vier-Augen-Gespräch mit dem damaligen Premierminister Atef Ebeid wieder. Der habe ihm offen geraten, sich aus dem Staub zu machen, bevor Khattabs Firma aus dem Weg geräumt werden würde, behauptet Khattab. So kam es dann auch, doch leider hatte der Politiker bei seinem gut gemeinten Vorschlag übersehen, dass Khattab nicht nur Geschäftsführer war, sondern selber Geld investiert hatte.

Korruption und familiäre Seilschaften beherrschen das ägyptische Wirtschaftsleben und machen es auswärtigen Investoren schwer. Über die staatlichen Firmen, die trotz aller Privatisierungen und Liberalisierung noch immer eine große Rolle spielen, besorgt sich die aufgeblähte und unterbezahlte Verwaltung ein Auskommen. Das neue Kabinett unter Premier Ahmed Nazif, das im Juli 2004 mit einigen aus der Privatwirtschaft kommenden Ministern neuen Schwung in die Wirtschaftspolitik brachte, hat bisher nur an der Spitze für einen Wechsel gesorgt.

Doch Khattab sagt, er sei weniger an der ägyptischen Politik gescheitert. Zusammen mit unrealistischen Erwartungen, hätten die persönlichen Ränkespiele gegen ihn in der deutschen Mutterfirma denen in Ägypten in nichts nachgestanden.

Frederik Richter

© Qantara.de 2005

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