Baumwoll-Tag

Wenn in Cancun über die Einfuhr von Baumwolle in die EU oder die USA verhandelt wird, hat dies Folgen für viele Bauern in Entwicklungsländern. Die deutsche Entwicklungsministerin stellte sich auf die Seite der afrikanischen Länder, die sich für den Wegfall der Handelsbarrieren einsetzen.

Wenn in Cancun über die Spielregeln zur Einfuhr von Baumwolle in die EU oder die USA verhandelt wird, entscheidet dies über die Lebensverhältnisse vieler Menschen. Die deutsche Entwicklungsministerin stellte sich auf die Seite der afrikanischen Länder, die sich für den Wegfall der Handelsbarrieren einsetzen.

Baumwollpflücker in Ägypten, Foto: AP
Baumwollpflücker in Ägypten, Foto: AP

​​Handelsminister Choguel Kokulla Maiga aus Mali und seine Kollegen aus Benin, dem Tschad und aus Burkina Faso sind von der deutschen Entwicklungsministerin begeistert. Hat sie sich doch schon im Vorfeld der offiziellen WTO-Verhandlungen im mexikanischen Cancun mit den westafrikanischen Staaten solidarisch gezeigt. Ministerin Heidemarie Wieczoreck-Zeul lud noch vor Eröffnung der Konferenz zu einem Cotton-Day, einer Tagung, die ganz dem problematischen Thema Baumwolle, Export und Subventionen gewidmet war. Solcherlei Veranstaltungen abseits der Verhandlungen hinter verschlossenen Türen seien notwendig, um für die Entwicklungsländer überhaupt etwas zu erreichen, sagt Erfried Adam von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Seine Institution hängte gleich noch ein Treffen zwischen der engagierten Ministerin und Nichtregierungsorganisationen hinten dran.

"Insgesamt haben in Vorbereitung auf die Cancun-Konferenz auf Länderebene in allen Regionen so viele Aktivitäten stattgefunden, und zwar unter Einbeziehung von Nichtregierungsorganisationen, der Medien und von Parlamenten, dass mehr Transparenz erreicht wurde und die vorhandenen Unterhändler wissen, dass sie die Öffentlichkeit gewinnen müssen," so Erfried Adam.

Forderung nach Abbau von Subventionen

Ob allerdings alle Beteiligten über so viel Öffentlichkeit froh sind, und ob die europäischen Ministerkollegen von Frau Wieczoreck-Zeul über deren Initiative genau so begeistert sein werden, wie die Afrikaner und die NGOs, ist eher zweifelhaft. Die deutsche Ministerin machte sich in Cancun für den westafrikanischen Vorschlag stark, wonach die Subventionen für Baumwollproduktion in den USA und der EU langfristig abgebaut werden sollten. In der Zwischenzeit gelte es, Kompensationslösungen für die westafrikanischen Staaten zu finden, eventuell durch die Schaffung eines speziellen Fonds mit Hilfe der Weltbank.

Allerdings: Offizielle EU-Position ist das bislang nicht. Doch die deutsche Ministerin hat für ihren Alleingang gute Gründe: Schließlich gingen Ländern wie Burkina Faso, Tschad, Mali und Benin in den vergangenen vier Jahren insgesamt 23 Milliarden US-Dollar an Einnahmen durch den Baumwollexport verloren - durch subventionierte und damit billig anbietende Konkurrenz aus dem Norden. Andererseits sind in West- und Zentralafrika etwa zehn Millionen Menschen auf Erträge aus dem Baumwollgeschäft angewiesen. Im Tschad beispielsweise beträgt der Anteil der Baumwolle an den Gesamtexporten 95 Prozent. Rudolf Buntzel-Cano vom Evangelischen Entwicklungsdienst begrüßt deshalb den Vorstoß der deutschen Ministerin. Doch er weiß auch, auf welch wackligem Grund diese Initiative steht.

"Wenn überhaupt durch Welthandel Armut bekämpft werden kann, dann bei diesem Produkt, bei Baumwolle, und ganz besonders in Westafrika, weil es ja auch keine Alternative gibt. Der Fall ist also strategisch sehr gut gewählt und sehr wichtig. Insofern bewundere ich die Ministerin dafür, dass sie den Mut hat, das aufzunehmen. Ich sage Mut, weil das ja sehr umstritten war. Herr Clement wollte auf keinen Fall, dass sie überhaupt nach Cancun kommt und hat sie nicht in seine Regierungsdelegation mit aufgenommen. Sie ist also sozusagen gegen den Willen des Kabinetts hier. Und das ist subversiv."

Verhandlungspartner in Cancun ist der EU-Kommissar

Tatsächlich wird Ministerin Wieczoreck-Zeul schon längst wieder Richtung Heimat unterwegs sein, wenn die WTO-Verhandlungen in Mexiko offiziell beginnen. Die Tatsache, dass in Cancun der EU-Kommissar für Handel die Geschäfte führt und nicht etwa die Experten für Entwicklung spielt Frau Wieczoreck-Zeul als normal herunter:

"Verhandeln, das ist schon immer so gewesen", sagt sie, "verhandeln tut die EU-Kommission, weil sie in dem Bereich die Zuständigkeit hat. Und Kommissar Lamy ist jemand, der durchaus die Sensibilität auch gegenüber den Entwicklungsländern hat."
So ganz allerdings wollte sich die Ministerin wohl doch nicht vom Spielfeld verdrängen lassen und das Heft aus der Hand geben - und organisierte deshalb gegen alle Widerstände den Cotton Day. Um die Ungerechtigkeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern abzubauen gelte es, auch schon mal ungewöhnliche Wege zu gehen, so die Ministerin.

Monika Hoegen

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