Israel setzt Angriffe im Süden des Gazastreifens trotz neuer Hamas-Drohung fort

Demonstranten in Tel Aviv (am Samstagabend) fordern die Freilassung von Geiseln.
Demonstranten in Tel Aviv (am 9.12.) fordern die Freilassung von Geiseln. (Foto: Clodagh Kilcoyne/REUTERS)

Gazastreifen. Die israelische Armee hat ihre Militäroffensive im Gazastreifen trotz neuer Drohungen der Hamas mit unverminderter Härte fortgesetzt. Ein AFP-Reporter berichtete in der Nacht zum Montag von massiven Luftangriffen auf die Stadt Chan Junis im Süden des Palästinensergebiets. Die militante Palästinensergruppe Islamischer Dschihad meldete heftige Kämpfen in der Stadt Gaza. Die Hamas warnte, dass die von ihr festgehaltenen Geiseln den Gazastreifen nur dann lebend verlassen könnten, wenn Israel einem Gefangenenaustausch und Verhandlungen zustimme.

Israels Armee meldete am Montagmorgen neue Raketenangriffe aus dem Gazastreifen. Am Sonntag hatten sich israelische Soldaten demnach "erbitterte Kämpfe" mit palästinensischen Kämpfern in der Stadt Gaza sowie in Chan Junis geliefert. "Ich will nicht sagen, dass wir unsere volle Kraft einsetzen, aber wir setzen eine signifikante Kraft ein und erzielen signifikante Ergebnisse", erklärte Generalstabschef Herzi Halevi.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu rief die Kämpfer der radikalislamische Hamas auf, ihre Waffen unverzüglich niederzulegen. Zahlreiche Kapitulationen der vergangenen Tage wiesen darauf hin, dass sich die radikalislamische Palästinenserorganisation ihrem Ende nähere, erklärte Netanjahu am Sonntag. "Ich sage den Hamas-Terroristen: Das ist das Ende. Sterbt nicht für Sinwar", den Hamas-Chef im Gazastreifen. "Ergebt euch - jetzt", fügte Netanjahu hinzu.

Der Sprecher des bewaffneten Arms der Hamas, Abu Obeida, hatte zuvor eine Fortsetzung der Kämpfe gegen die israelischen Truppen angekündigt. Den Soldaten gelinge es allen Versuchen zum Trotz nicht, den "Widerstand" der Hamas zu brechen, sagte Obeida im Fernsehen.

Er kündigte zugleich an, dass keine Geisel den Gazastreifen lebend verlassen werde, wenn die Forderungen seiner Organisation nicht erfüllt würden. Nach israelischen Angaben befinden sich noch 137 Gefangene in den Händen der Hamas und ihrer Verbündeten. Ende November hatte ein Hamas-Vertreter gesagt, die Islamisten seien zur Freilassung von Geiseln, auch israelischen Soldaten, bereit, wenn im Gegenzug alle palästinensischen Häftlinge in Israel freigelassen würden.

Durch die Kämpfe wurden etwa 1,9 Millionen Menschen im Gazastreifen - etwa 85 Prozent der Bevölkerung - vertrieben. Die meisten von ihnen sind inzwischen Richtung Süden geflohen. Die Region Rafah an der Grenze zu Ägypten ist zu einem riesigen Flüchtlingslager geworden.

Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, warnte, es gebe besorgniserregende Anzeichen für epidemische Krankheiten im Gazastreifen. Zugleich stehe das dortige Gesundheitssystem kurz vor dem endgültigen Zusammenbruch. Von 36 Krankenhäusern seien nur noch 14 teilweise funktionsfähig, davon nur zwei im Norden. Die 34 Mitgliedstaaten des WHO-Exekutivrats riefen in einer einstimmig verabschiedeten Resolution am Sonntag zur "sofortigen, dauerhaften und ungehinderten Weiterleitung humanitärer Hilfe" in das Palästinensergebiet auf.

Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) rief am Sonntag zu mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen aus. Zugleich müsse Israel die Zivilisten in dem Palästinensergebiet besser schützen. "Es reicht nicht aus, allein theoretisch zu sagen, dass sie sich in Schutz begeben sollen, wenn de facto keinen Schutz vor Ort möglich ist". Dies sei auch im israelischen Sicherheitsinteresse.

Am Freitag war eine Resolution im UN-Sicherheitsrat für eine humanitäre Feuerpause im Gazastreifen am Veto der USA gescheitert. Eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen sei "realitätsfremd" und "hätte vor Ort nichts verändert", sagte der stellvertretende UN-Botschafter der USA, Robert Wood.

UN-Generalsekretär António Guterres hatte die Sitzung in einem seltenen Schritt selbst einberufen. Am Sonntag beklagte er, der UN-Sicherheitsrat sei "gelähmt" und nicht in der Lage, Lösungen für ein Ende des Gaza-Kriegs zu finden. Katar kündigte am Sonntag an, seine Bemühungen um eine neue Feuerpause im Gaza-Krieg fortzusetzen. Katar war ein wichtiger Vermittler einer einwöchigen Waffenruhe, die bis zum 1. Dezember die Freilassung israelischer Geiseln und palästinensischer Häftlinge sowie humanitäre Hilfslieferungen ermöglicht hatte.

Der Krieg zwischen Israel und der Hamas war am 7. Oktober durch den Großangriff der Hamas auf Israel ausgelöst worden. An dem Tag waren hunderte Kämpfer der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Palästinenserorganisation vom Gazastreifen aus nach Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt. Israelischen Angaben zufolge wurden etwa 1200 Menschen getötet und rund 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Nach dem Hamas-Überfall begann Israel mit massiven Angriffen auf Ziele im Gazastreifen. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden dort seitdem fast 18.000 Menschen getötet, die meisten von ihnen Frauen und Kinder. (AFP)