UN und USA verstärken Druck auf Israel - "Wahllose Bombardierungen"

Tunnel der Hamas sind regelmäßig Ziele der israelischen Luftangriffe.
US-Präsident Joe Biden wirft Israel "wahllose Bombardierungen" im Gazastreifen vor. (Foto: Leo Correa/AP Photo/picture alliance)

* UN-Vollversammlung fordert mit großer Mehrheit Waffenstillstand

* Deutschland enthält sich, USA stimmt dagegen

* Biden fordert von Netanjahu Kurswende im Krieg im Gazastreifen

New York/Berlin. Die Vereinten Nationen und die USA verstärken ihren Druck auf Israel, damit dessen Armee ihr Vorgehen im Gazastreifen korrigiert. Die UN-Generalversammlung in New York sprach sich am Dienstag mit großer Mehrheit für einen sofortigen humanitären Waffenstillstand in dem Konflikt aus: 153 Mitgliedsländer stimmten für die Resolution, 23 Staaten enthielten sich - darunter Deutschland. Zehn Staaten stimmten dagegen, etwa die USA und Israel. US-Präsident Joe Biden forderte in Washington den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu aber zu einer Kehrtwende beim Vorgehen im Gazastreifen auf und warf Israel "wahllose Bombardierungen" vor.

Resolutionen der UN-Generalversammlung sind nicht bindend, spiegeln aber die globale Sicht wider. Der Text der Resolution entspricht dem, der vergangene Woche im 15-köpfigen UN-Sicherheitsrat von den USA blockiert worden war. In der Generalversammlung hat aber kein Land ein Vetorecht. Die Resolution fordert auch die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln und die Einhaltung des Völkerrechts durch die Kriegsparteien - insbesondere in Bezug auf den Schutz der Zivilbevölkerung.

Das Auswärtige Amt begründete die deutsche Enthaltung auf der Plattform X damit, dass der Entwurf der Resolution einen pauschalen Waffenstillstand gefordert habe, aber nicht darauf eingehe, wieso Israel gezwungen sei, sich zu verteidigen. "Erst wenn die Hamas ihre Waffen niederlegt, ist Israel nicht länger gezwungen, sich zu verteidigen", heißt es. Deshalb habe man nicht zustimmen können. Gleichzeitig wäre eine Ablehnung falsche gewesen, weil man das Leid der Palästinenser durch mehr humanitäre Feuerpausen beenden wolle.

Die US-Botschafterin bei den UN, Linda Thomas-Greenfield, hatte vor der Abstimmung erklärt, ihr Land unterstütze einige Aspekte der Resolution - unter anderem die Notwendigkeit, die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen zu verbessern, Zivilisten zu schützen und Geiseln zu befreien. Ein Waffenstillstand indes "wäre gefährlich für die Israelis, die unerbittlichen Angriffen ausgesetzt wären, und auch gefährlich für die Palästinenser, die die Chance verdienen, sich eine bessere Zukunft aufzubauen, frei von der Hamas". Der israelische UN-Botschafter Gilad Erdan sagte, ein Waffenstillstand bedeute nur eines: "Das Überleben der Hamas zu sichern und das Überleben der völkermordenden Terroristen, die sich der Vernichtung Israels und der Juden verschrieben haben."

Dagegen sagte der pakistanische UN-Botschafter Munir Akram, wenn man Menschen Freiheit und Würde verweigere, sie demütige und in ein Freiluftgefängnis sperre, "wo man sie tötet, als wären sie Bestien - dann werden sie sehr wütend und tun anderen das an, was ihnen angetan wurde".

Ein Versuch der USA, den Text so zu ändern, dass Angriffe der Hamas und deren Geiselnahmen verurteilt werden, fand ebensowenig die zu einer Annahme notwendige Zweidrittel-Mehrheit wie der Vorstoß Österreichs, in der Resolution festzuhalten, dass die Geiseln von der Hamas festgehalten werden.

US-Präsident Biden warnte vor Spendern seiner Wahlkampagne in Washington, Israel könne keinen eigenen palästinensischen Staat ablehnen. "Aber wir müssen dafür sorgen, dass Bibi (Netanjahu) versteht, dass er sich bewegen muss." Dies war die bisher schärfste Kritik Bidens an Netanjahu seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober. Dabei waren nach Angaben Israels etwa 1200 Menschen getötet und weitere 240 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Israel hatte daraufhin die Zerstörung der Hamas ausgerufen und den Küstenstreifen mit massiven Angriffen überzogen. Dabei starben nach Angaben der palästinensischen Seite bislang etwa 18.000 Menschen, 50.000 weitere wurden verwundet. (Reuters)