Baerbock in Nahost: Welternährungsprogramm warnt vor Hungersnot im Gazastreifen

Außenministerin Baerbock bei ihrem Besuch im Westjordanland
Außenministerin Baerbock bei ihrem Besuch im Westjordanland (Foto: Michael Kappeler/dpa/picture alliance)

Kairo. Vor dem Hintergrund der Nahost-Reise von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat das Welternährungsprogramm (WFP) sofortige Maßnahmen gegen die drohende Hungersnot im Gazastreifen gefordert. "Wenn es so weitergeht wie gerade, dann sehen wir schon bald Hungertote in Gaza", sagte der Leiter des Berliner Büros der UN-Organisation, Martin Frick, der Nachrichtenagentur AFP. "Wir dürfen nicht erst handeln, wenn eine Hungersnot erklärt wird, denn dann ist es zu spät." 
 
Der UN-Vertreter äußerte die Hoffnung, dass Baerbocks aktuelle diplomatische Mission auch humanitäre Fortschritte erziele. "Substanzielle Hilfe muss die Notleidenden in Gaza sicher und dauerhaft erreichen", sagte Frick zu AFP. "Das geht nicht, wenn Bomben fallen und geschossen wird, sondern nur durch eine sofortige humanitäre Waffenruhe. Gleichzeitig müssen alle Geiseln freigelassen werden." Frick zeigte sich alarmiert angesichts der aktuellen Not im Gazastreifen. "Schon heute hungert in Gaza praktisch jeder, und jeder vierte Mensch steht an der Schwelle zum Hungertod", sagte der UN-Vertreter. "Dieser Konflikt hat in nur drei Monaten unfassbar viel Leid, Zerstörung und Not verursacht." 
 
Frick verwies darauf, dass das Welternährungsprogramm derzeit 577.000 Menschen im Gazastreifen in der höchsten Hungerrisiko-Kategorie einstufe. Im gesamten Rest der Welt seien es 129.000 Menschen. "Nirgendwo auf der Welt leiden mehr Menschen so stark Hunger wie in Gaza derzeit", sagte er. "Diese nackten Zahlen bedeuten für die Menschen vor Ort, dass sie tageweise nichts zu essen finden, stundenlang für grundlegenden Dinge wie Brot oder eine warme Suppe anstehen müssen", betonte Frick. "Märkte, Geschäfte, Landwirtschaft - praktisch alle Versorgungssysteme sind zusammengebrochen." 
 
Im vergangenen Monat habe das WFP im Gazastreifen rund 800.000 Menschen in 100 Notunterkünften mit grundlegendsten Nahrungsmitteln erreicht. "Allerdings lassen Bombardierungen und Kampfhandlungen keine sichere und dauerhafte Versorgung zu", warnte Frick, der das Welternährungsprogramm in Deutschland und weiteren deutschsprachigen Ländern vertritt. 
 
Der UN-Vertreter zeigte sich dankbar dafür, dass Deutschland die Arbeit des Welternährungsprogramms im Gazastreifen "mit substanziellen Beiträgen" unterstütze. "Europa kann hier aber gemeinsam noch mehr leisten", sagte Frick. 

Baerbock ist am späten Montagabend zu einem Besuch in Ägypten eingetroffen - nach Stationen in Israel und im Westjordanland. Ägypten spielt eine wichtige Rolle bei der humanitären Hilfe für die Menschen im Gazastreifen: Ein Großteil der Hilfslieferungen kommt über den ägyptischen Grenzübergang Rafah in das Palästinensergebiet. Am Sonntag hatte Baerbock in Jerusalem auch einen Besuch in Rafah in Aussicht gestellt. (AFP)