Völkermord - Rechtsbegriff wird oft auch politisch eingesetzt

Bosnien: Gräberfeld bei Srebrenica (Archivfoto)
Bosnien: Gräberfeld bei Srebrenica (Archivfoto): Srebrenica war zunächst Zufluchtsstätte für Zehntausende bosnische Muslime. Der kleine Ort stand unter dem Schutz von gut 300 leicht bewaffneten Blauhelm-Soldaten aus den Niederlanden. Im Juli 1995 nahmen serbische Soldaten Srebrenica ein und töteten rund 8000 muslimische Jungen und Männer. Das Massaker gilt als das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.

Berlin - Völkermord ("Genozid") ist der Rechtsbegriff für das schlimmste denkbare Verbrechen - Tötungen mit dem Ziel, ein Volk, eine Ethnie oder auch eine Glaubensgemeinschaft zu vernichten. Diesen Vorwurf erhebt Südafrika gegenüber Israel vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag. Israels Bombenangriffe im Gazastreifen würden auf die "Zerstörung palästinensischen Lebens" abzielen.

Wie eng der Begriff des Völkermords zu definieren ist, darüber streiten Juristen seit seiner Einführung in das Völkerstrafrecht. Die 1948 von den Vereinten Nationen beschlossene Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords definiert diesen als Handlung, "die mit der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören".

Das umfasst unter anderem die "Tötung von Mitgliedern der Gruppe", das "Zufügen von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe", aber auch die Verhinderung von Geburten innerhalb einer Gruppe oder die Verschleppung von deren Kindern in eine andere Gruppe.

Die Einstufung von Gräueltaten als Völkermord ist nicht nur eine juristische, sondern auch eine politische Frage - und der Begriff ist emotional äußerst aufgeladen. So wird seit langem darüber gestritten, ob die Massaker an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs als Völkermord eingestuft werden müssen. Der Bundestag tat dies im Jahr 2016, was eine schwere diplomatische Krise mit der Türkei auslöste. Auch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine stufte US-Präsident Joe Biden 2022 schon einmal als "Genozid" ein. Dies war umstritten, denn Kriegsverbrechen sind nicht automatisch auch ein Völkermord.

Der Begriff Völkermord ist auch unter der Bezeichnung "Genozid" geläufig. "Genozid" setzt sich aus dem griechischen "genos" (Herkunft) und dem lateinischen "caedere" (töten) zusammen. Der jüdische Anwalt Raphael Lemkin prägte das Wort im Jahr 1944, um eine Grundlage für die Bestrafung der von den Nazis begangenen Verbrechen zu legen.

Die Brutalität von Tötungen an sich ist nach Einschätzung von Experten nicht ausreichend für die Feststellung eines Völkermords. Zentral sei vielmehr die "Absicht", eine bestimmte Gruppe von Menschen ganz oder teilweise zu zerstören. (AFP)