UNRWA-Chef wirft Israel Kampagne zur "Zerstörung" des Palästinenserhilfswerks vor

UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini in Brüssel
UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini fordert, die Hilfe für Palästinenser müsse weiter finanziert werden. (Foto: Johanna Geron/REUTERS)

Genf - Der Chef des in die Kritik geratenen Palästinenserhilfswerks der Vereinten Nationen (UNRWA), Philippe Lazzarini, hat Israel eine gezielte Kampagne gegen die UN-Agentur vorgeworfen. Diese ziele darauf ab, "die UNRWA zu zerstören", sagte Lazzarini in einem am Samstag (17.2.2024) veröffentlichten Interview mit der Schweizer Mediengruppe Tamedia.
"Es ist ein langfristiges, politisches Ziel, weil man glaubt, dass wenn das Hilfswerk abgeschafft wird, der Status des palästinensischen Flüchtlings ein für alle Mal geklärt sein wird - und damit auch das Rückkehrrecht", sagte er.


Das UN-Hilfswerk kümmert sich um die Belange der als Flüchtlinge registrierten Palästinenser und ihrer Nachkommen, die im Zuge der Staatsgründung Israels 1948 und des darauffolgenden ersten arabisch-israelischen Krieges vertrieben wurden oder geflohen sind. Es hat das Mandat der Vereinten Nationen, den in ihrem Einsatzgebiet offiziell registrierten palästinensischen Flüchtlingen humanitäre Hilfe und Schutz zu gewähren, "bis eine gerechte und dauerhafte Lösung für ihre Situation gefunden ist".


Israel habe zahlreiche Maßnahmen gegen das Palästinenserhilfswerk ergriffen, kritisierte Lazzarini in dem Interview mit Tamedia. Er verwies auf Bestrebungen zur Aufhebung der Mehrwertsteuerbefreiung des Hilfswerks und Anordnungen an Auftragnehmer im israelischen Hafen Aschdod, "bestimmte Lebensmittellieferungen für UNRWA nicht mehr abzuwickeln". Alle diese Initiativen seien von der israelischen Regierung ausgegangen. 

 

Seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen seien außerdem mehr als 150 Einrichtungen des Palästinenserhilfswerks bei Angriffen getroffen worden. Den von Israel wegen des Fundes eines Hamas-Tunnels unter dem UNRWA-Hauptquartier im Gazastreifen geforderten Rücktritt lehnt Lazzarini weiterhin ab. Der Tunnel liege in 20 Metern Tiefe, als Hilfsorganisation habe das Palästinenserhilfswerk nicht die nötigen Fähigkeiten, dies zu untersuchen, sagte der UNRWA-Chef.


Ende Januar waren gegen das UNRWA schwere Vorwürfe bekannt geworden: Zwölf Mitarbeiter stehen im Verdacht, am Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober beteiligt gewesen zu sein. Als Reaktion auf die Vorwürfe setzten zahlreiche Staaten, darunter Deutschland und die USA, ihre Zahlungen an das Hilfswerk aus Die UNO entließ die zwölf UNRWA-Mitarbeiter und leitete eine Untersuchung ein.


Am 7. Oktober waren Kämpfer der von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Hamas nach Israel eingedrungen und hatten dort Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt. Israelischen Angaben zufolge wurden dabei etwa 1160 Menschen getötet und rund 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.


Israel hat als Reaktion auf den Angriff der Hamas deren Vernichtung als Ziel ausgegeben. Bei dem massiven Militäreinsatz im Gazastreifen wurden nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, mehr als 28.800 Menschen getötet. (AFP)

 

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