Problemloses Zusammenleben?

Das Christentum ist in Jordanien von alters her verwurzelt. Rund 230.000 Christen leben heute im haschemitischen Königreich. Über ihr Zusammenleben mit der muslimischen Bevölkerungsmehrheit berichtet Andrea Seeger.

Das Christentum ist in Jordanien von alters her verwurzelt. Rund 230.000 Christen leben heute im haschemitischen Königreich König Abdullahs II. Über ihr Zusammenleben mit der muslimischen Bevölkerungsmehrheit berichtet Andrea Seeger.

Die jordanische Hauptstadt Amman; Foto: dpa
In der jordanischen Hauptstadt gibt es eine kleine evangelische Gemeinde. Von Ablehnung oder Herabwürdigung durch die muslimische Mehrheit ist nichts zu spüren, sagt die dort tätige Pfarrerin.

​​Der 35-jährige Osama Khazouz stammt aus einem jordanischen Beduinenclan. Seine Familie gehört einer Minderheit im Land an: Sie ist katholisch.

Osama Khazouz spricht gut deutsch und interessiert sich für die westliche Kultur. Zu seinem Freundeskreis gehören neben Christen auch viele Muslime. Er mache da gar keine Unterschiede, sagt Osama, und bezeichnet die Mehrheit der Muslime in seinem Land als "meine arabischen Brüder".

Im Zweifelsfall, so Osama, stünden religiöse Differenzen sowieso hinten an, im Zweifel gehe es für ihn immer um Solidarität unter Jordaniern und Arabern - auch bei der Auseinandersetzung mit westlicher Politik und westlichen Denkweisen.

Als Beispiel nennt er den Karikaturenstreit. Der Prophet Mohammed hat in der Glaubenswelt des Christen Osama zwar keine besondere Bedeutung. Dennoch teilt der 35-Jährige die Empörung vieler Muslime und boykottiert deshalb dänische Produkte.

Solidarität sei für ihn in diesem Fall selbstverständlich, sagt er. Sagt er dies womöglich nur, weil er weiß, dass die
kleine christliche Minderheit bei einem Konflikt mit den Muslimen ohnehin nur verlieren könnte? Ein solches Motiv ist ihm zumindest nicht anzumerken. Wenn er sich über den Irak-Krieg aufregt, wirkt die Empörung glaubwürdig.

Keine Aggressivität gegen Ausländer

Auch die deutsche Pfarrerin Annegret Bettex von der kleinen evangelischen Gemeinde in Amman sagt, sie spüre im Alltag nichts von Ablehnung oder Herabwürdigung durch die muslimische Mehrheit. Anfeindungen habe sie auch während des Karikaturenstreits nicht zu spüren bekommen.

In ihrer Gemeinde, die sich vorwiegend um christliche Ehefrauen muslimischer Männer kümmert, waren die Auseinandersetzungen um die umstrittenen Karikaturen in europäischen Zeitungen auch ein Diskussionsthema.

Cornelia Petropulo, die deutsche Sekretärin der Gemeinde, ist mit einem Jordanier verheiratet und kann Pfarrerin Bettex nur zustimmen: "Das Volk spricht drüber, aber sie sind zu uns, zu den Ausländern, nicht aggressiv, absolut nicht. Wir hatten auch eine kleine Demonstration hier, die absolut friedlich verlief. Obwohl ein Aufgebot von Hunderten Soldaten da stand, verlief die Demonstration sehr, sehr ruhig. Außer, dass sie ein paar dänische Produkte boykottieren, ist hier nicht viel zu spüren."

Angst hätten die Mitglieder der evangelischen Gemeinde nicht, sagt Petropulo, die Jordanier seien generell sehr ausländerfreundlich. Dafür misstrauten sie umso öfter den staatlichen Behörden. So wird auch in Jordanien Vorsicht an den Tag gelegt, wenn es um politische Meinungsäußerungen geht, denn die Geheimpolizei ist durchaus präsent.

Wenig Einfluss radikaler Islamisten

Im Vergleich zu anderen Ländern der Region haben radikale Islamisten in Jordanien bisher eher geringen Einfluss, auch wenn der Islam im Alltag in den letzten Jahren immer sichtbarer geworden ist. Trotz eines palästinensischen Bevölkerungsanteils von schätzungsweise über 50 Prozent ist sich der Christ Osama auch sicher, dass politische Kräfte wie die Hamas-Bewegung in Jordanien dem Königshaus und dem politisch moderaten Kurs des Landes auf absehbare Zeit nicht gefährlich werden können.

Osama Khazouz betont, er fühle sich als Christ in Jordanien genauso anerkannt wie jeder Muslim, der dort lebe. Und er sehe das Königreich auf einem guten Weg zu demokratischen Verhältnissen.

Völlig problemfrei ist das Verhältnis beider Religionsgemeinschaften aber keineswegs. Muslime, die zum Christentum übertreten wollen, müssen auch in Jordanien mit Strafen und gesellschaftlicher Ächtung rechnen.

Und ein jordanischer Pfarrer klagte unlängst gegenüber einer deutschen Nachrichtenagentur, er fühle sich von einem Teil seiner muslimischen Landsleute zunehmend skeptisch beäugt - so, als sei er als arabischer Christ auch automatisch ein politischer Verbündeter des Westens. Gewalt oder offene Diskriminierung hat er in diesem Zusammenhang nicht erlebt. Aber Unbekannte schmierten bereits die Beschimpfung "Ungläubiger" auf sein Auto.

Andrea Seeger

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD 2006

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