Zwei Seiten einer Medaille

Der in Dubai lebende jordanische Jazzgitarrist Kamal Musallam hat unlängst sein fünftes Album veröffentlicht. "LuLu" ist ein ungewöhnlicher Mix aus Blues, Jazz und traditionellen Rhythmen vom Persischen Golf. Martina Sabra stellt das Album und den Musiker vor.

Der in Dubai lebende jordanische Jazzgitarrist Kamal Musallam hat unlängst sein fünftes Album veröffentlicht. "LuLu" ist ein ungewöhnlicher Mix aus Blues, Jazz und traditionellen Rhythmen vom Persischen Golf. Martina Sabra stellt das Album und den Musiker vor.

Kamal Musallam; Foto: &copy womad.org
Kamal Musallam: "Ich wollte die Stimmung einer modernen Megacity in einen optimistischen Sound übersetzen. Ein Sound, der spüren lässt, wie aus der Vielfalt etwas Positives, Neues entsteht."

​​Als das Kamal Musallam Trio im April 2009 beim WOMAD-Festival in Abu Dhabi gemeinsam mit 17 Mitgliedern der emiratischen Folkloregruppe Sokoor Al-Magabeel auftrat, war die Spannung groß: würde dieses Experiment gut gehen?

Es ist gut gegangen. So gut sogar, dass das Projekt mittlerweile als CD auf dem Markt ist. Der Titel des Albums, "LuLu" ist eine Anspielung auf die Perlentaucher, deren Lieder und Poesien zum kulturellen Fundament der Golf-Region gehören.

Mit dem Projekt habe er sich einen langgehegten Traum erfüllt, sagt Kamal Musallam, der 1970 als Sohn libanesisch-jordanischer Eltern in Kuwait geboren wurde und bis zu seinem neunten Lebensjahr dort aufwuchs.

Improvisiert und experimentell

"Die Rhythmen und die Melodien des arabischen Golfs sind mir sehr nah", erklärt Musallam. "Sie wirken unglaublich entspannt, ein bisschen wie brasilianischer Pandeiro. Das Meer, der Rhythmus der Wellen und das harte Leben der Perlentaucher und Fischer spiegeln sich darin. Der Reichtum liegt für mich in den poetischen Texten und den entspannten Rhythmen."

Die Aufnahmen für die CD "LuLu" entstanden im Frühsommer 2009 binnen weniger Wochen – eine Rekordzeit, wenn man bedenkt, dass die emiratische Folkloregruppe noch nie mit westlichen Musikern gespielt hatte. Dass es schnell gehen musste, merkt man dem Album an: Nicht alle Tracks sind perfekt ausgeklügelt, manches wirkt noch lose und improvisiert. Doch gerade das Experimentelle, Unfertige verleiht "LuLu" einen besonderen Reiz.

Beim Zuhören kann man die Entstehung des Albums quasi miterleben: Anfangs scheinen die Musiker eher nebeneinander herzuspielen. Nach und nach tasten sie sich aneinander heran, lassen sich aufeinander ein, so dass schließlich kraftvolle, faszinierende Tracks wie "I Could See Thunder" oder der "G-Song" entstehen.

Standortsuche zwischen arabischer und westlicher Musik

Kamal Musallam war die Musikerkarriere in die Wiege gelegt. Die kulturbegeisterten Eltern ließen ihn schon im zarten Alter von drei Jahren Piano- und Akkordeonunterricht nehmen, mit neun Jahren erhielt er seine erste Gitarre.

Doch trotz seines Talentes und seiner Leidenschaft für die Musik studierte Musallam nach dem Abitur in Amman erst einmal Architektur. Er habe sich damals mit gerade mal 20 Jahren eine Karriere als Profimusiker einfach nicht zugetraut, erzählt der langhaarige, bärtige Hüne mit den stahlblauen Augen freimütig.

​​Erst ein Abstecher in den Libanon habe die Wende gebracht. "Ich wollte ein Jahr als Architekt in Beirut arbeiten. Kurz nach meiner Ankunft begegnete ich dem berühmten Jazzmusiker Ziad Rahbani, der mir anbot, in seiner Band mitzuspielen", erinnert sich Musallam. "Es war die entscheidende Erfahrung für mich! Ziad hat mich bestärkt und er hat mir geholfen, meinen musikalischen Standort zu finden, zwischen arabischer und westlicher Musik zu bestimmen."

Neben der halbelektrischen Gitarre und der arabischen Laute spielt Kamal Musallam seit einigen Jahren vor allem die Glissentar, eine noch relativ junge Schöpfung des Instrumentebauers Godin, die die Vorzüge der westlichen Gitarre und des arabischen Oud vereint.

"Die Glissentar ist bundlos und der Hals ist länger als bei einer Laute oder bei einer Gitarre", erklärt Musallam. "Ich habe deshalb mehr Oktaven zur Verfügung und kann freier spielen. Die arabische Laute hat ja einen recht kurzen Hals. Aber den spirituellen, runden Klang der arabischen Laute kann natürlich keine Gitarre erreichen."

Zwei Seiten einer Medaille

Nachdem Kamal Musallam 1994 den Job als Architekt hinwarf, ging er zunächst nach Frankreich, wo er sich fortbildete und als Musiker arbeitete, und anschließend nach Jordanien. Seit 2002 lebt Musallam dauerhaft in Dubai.

Für ihn ist die einstige Boomtown keine Ansammlung von Glitzerfassaden und Einkaufszentren, sondern ein Ort, wo er die Globalisierung täglich auf kleinstem Raum in all ihren Facetten beobachten kann.

"Meine Wohnung in Dubai liegt in einem Viertel, wo viele Arbeiter zum Beispiel aus Pakistan leben. Für mich gibt es nicht nur die helle, strahlende Seite von Dubai, sondern ich sehe auch den Dreck und Staub."

Im Gegensatz zu der verbreiteten Meinung, dass Dubais Kulturszene keinen eigenen Charakter habe, hält Musallam Dubai für einen guten Standort, um Musik zu machen. Durch die geographische Lage an der Schnittstelle zwischen Europa, Asien und Afrika gewinne man in Dubai ganz andere Perspektiven und man treffe andere Leute als sonst.

Optimistischer Sound aus der Megacity

Zum Beispiel den US-Trompeter Dan Trammell, den außergewöhnlichen Vokalisten und Violinisten Mounir Troudi aus Tunesien oder die hochtalentierte Jazzsängerin Monique Hebrard aus Südafrika. Troudi und Hebrard habe beide auf Musallams 2008 veröffentlichtem Album "Out of My City" mitgewirkt.

"Das Album habe ich ganz bewusst in Dubai aufgenommen", erzählt der 38jährige. "Ich wollte die Stimmung dieser modernen Megacity in einen optimistischen Sound übersetzen. Ein Sound, der spüren lässt, wie aus der Vielfalt etwas Positives, Neues entsteht."

Für Musallam hat Dubai darüber hinaus noch einen Vorteil: man ist schnell in Asien. In den vergangenen Jahren ist Musallam unter anderem in Indonesien, Japan und Indien erfolgreich aufgetreten. Nun hofft er, dass man sich auch in Europa für seine Musik interessiert.

Martina Sabra

© Qantara.de 2010

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