Die Caravane Civique aus Marokko zu Besuch in Bahrain

Fatema Mernissi aus Marokko und Shaikha Mai al Khalifa, Leiterin eines Kulturzentrums in Bahrain, initiierten einen innerarabischen Dialog über Demokratie und gesellschaftliche Öffnung. Thomas Hartmann war dabei.

Die Autorin Fatema Mernissi aus Marokko und Shaikha Mai al Khalifa, Leiterin eines renommierten Kulturzentrums in Bahrain, initiierten im Frühjahr 2005 einen innerarabischen Dialog über Demokratie und gesellschaftliche Öffnung. Thomas Hartmann war dabei.

Fatema Mernissi; Foto: AP
Die Akteure der arabischen Zivilgesellschaften sollten einen wirklichen Austausch innerhalb der arabischen Welt realisieren, so Fatema Mernissi

​​Ziel des Projekts war die Stärkung von Reformen von innen - ganz im Sinne einer Forderung des dritten "UN-Berichts zur Entwicklung der arabischen Welt".

Auf Einladung des Al-Khalifa-Kultur- und Forschungszentrums, ein Treffpunkt engagierter Literaten, Künstler, Journalisten und anderer Intellektueller, reiste die marokkanische Caravane Civique um Fatema Mernissi im März 2005 nach Bahrain.

Erfahrungsberichte aus Marokko

Vier Abende lang berichteten die Akteure der 'Bürgerrechts-Karawane', ein Netzwerk von Projekten, das seit 1997 regelmäßig Treffen in Marokko organisiert und Impulse für zivilgesellschaftliche Initiativen im Land gibt, von ihren Erfahrungen und diskutierten mit dem Publikum.

So etwa Ahmed Zainabi aus Zagora, dessen Gruppe sich dafür engagiert, in den Oasen des südmarokkanischen Draa-Tal die Lebensbedingungen so zu verbessern, dass die Jugendlichen die Region auf der Suche nach Arbeit nicht mehr verlassen müssten. Wichtig seien, so Zainabi, verbesserte Landwirtschaftsmethoden und sanfter Tourismus, vor allem aber die Partizipation der Bevölkerung an allen Initiativen.

Die Buchhändlerin Jamila Hassouna aus Marrakesch hingegen berichtete, wie sie in ihrem mit Büchern voll gepackten Auto in die entlegenen Orte des Hohen Atlas fahre, um insbesondere die Jugendlichen mit Lesestoff zu versorgen.

Najia Al-Boudali, Geologie-Professorin aus Casablanca, schilderte den jahrelangen Kampf engagierter Frauen und Frauengruppen in Marokko, bis 2003 eine Neufassung des Familienrechts, der Moudawwana, erreicht wurde, die Frauen und Männer rechtlich gleichstellt.

Austausch innerhalb der arabischen Welt

Als 'Moderne Sindbads' bezeichnete Fatema Mernissi diese Akteure einer in Marokko aufblühenden Zivilgesellschaft in ihrem neuesten Buch 'Les Sindbads marocains': Vergleichbar mit den Seefahrern und Händlern in der Blütezeit der arabisch-islamischen Zivilisation würden sie heute die Möglichkeiten der globalisierten und digitalisierten Welt für eine Stärkung der Zivilgesellschaft nutzen.

Diese 'modernen Sindbads' sind für Fatema Mernissi das kreative Potential der Gegenwart. Sie müssten und könnten das realisieren, was die arabischen Regierungen nicht zustande brächten: einen wirklichen Austausch innerhalb der arabischen Welt.

Bisher gibt es zwischen Bahrain im äußersten Osten und Marokko im äußersten Westen kaum Kontakte, weder ökonomische noch kulturelle. "Dieses Treffen", betonte Mernissi, "soll die Intellektuellen beider Länder näher bringen und Kooperationen für die Zukunft ermöglichen, die uns alle stärken. Eine der zentralen Herausforderungen in Zeiten der Globalisierung besteht darin, unsere Fähigkeiten zu einer effizienten Kommunikation zu verbessern".

Im Auge hat Mernissi dabei eine Art 'Diversity Management' für die Sache der Demokratie: "Wenn sich zivilgesellschaftliche Akteure aus Marokko, die eher mit Europäern vernetzt sind, zusammensetzen mit Menschen aus Bahrain, die starke Kontakte mit Asien und speziell Indien pflegen, können beide bei der Gestaltung der Zukunft ihre geographisch bedingten Unterschiede zu strategischen Vorteilen ergänzen."

Von Erfahrungen lernen

"Die Bücher von Fatema Mernissi kennen viele in Bahrain, aber bei diesem Besuch der Caravan Civique entdeckten wir noch eine andere Seite von ihr: ihr praktisches Engagement als Intellektuelle. Das spornt an", erläuterte Yacoob Al-Muharraqi. Er arbeitet bei der "Bahrain Tribune" und betreut mit Qassim Haddad, dem bekanntesten Poeten Bahrains, ein Webportal für arabische Literatur.

"Unsere NGOs sind noch sehr jung", sagte er. "Sie brauchen den Kontakt mit Gleichgesinnten, den Austausch mit Leuten gerade aus einem anderen arabischen Land, die schon intensiver und länger praktische Erfahrungen gemacht haben im Kampf für Menschenrechte, für einen ausgeglichenen Umgang mit der Natur, für eine Gesellschaft, die sich an Recht und Vernunft orientiert."

Zivilgesellschaft in Bahrain noch jung

Im Unterschied zu Marokko, wo der politische Umschwung 1994 begann, weht der Wind demokratischer Reformen in Bahrain erst seit 1999, als der aktuelle Herrscher den Thron bestieg. Die 1990er Jahre waren dagegen von Unruhen geprägt. Die bahrainische "Intifada" wurde vor allem von Schiiten getragen, die als Bevölkerungsmehrheit für eine gesellschaftliche Gleichstellung kämpften.

Erst ab 2001 wurden Änderungen sichtbar: die damals über 500 politischen Gefangenen wurden freigelassen, rund 300 Verfolgte kamen aus dem Exil zurück, parlamentarische Strukturen wurden ausgebaut, u.a. mit aktivem und passivem Wahlrecht für Frauen.

In der Gesellschaft sind Hunderte von Vereinen mit kulturellen und politischen Aktivitäten entstanden, und in den Medien kommen inzwischen auch oppositionelle Stimmen zu Wort. Allerdings gehen die Reformen Vielen, insbesondere den großen schiitischen Parteien, nicht weit genug.

Vorbild Marokko?

Solche Oppositionelle aber waren im Kulturzentrum kaum vertreten. Hierher kamen eher die Freunde von Al-Muharraqi, Intellektuelle aus der Mittel- und Oberschicht. Auch unter ihnen hat sich eine gewisse Skepsis über die Nachhaltigkeit des Erreichten ausgebreitet.

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kontakt@qantara.de Als Noureddine Saoudi von der Caravane Civique, selbst ehemaliger politischer Gefangener, von der mühevollen, aber schließlich erfolgreichen Aufarbeitung der "Bleiernen Zeit" in der marokkanischen Öffentlichkeit erzählte, stieß er auf Verwunderung. In Bahrain ist man noch nicht so weit.

Der innerarabische Gedanken- und Erfahrungsaustausch wurde auch in den lokalen Medien als voller Erfolg gepriesen. Sheikha Mai al Khalifa und Fatema Mernissi vereinbarten immerhin einen Gegenbesuch: im Februar 2006 werden Künstler und Intellektuelle aus Bahrain zu einem Treffen der Caravane Civique nach Casablanca reisen.

Thomas Hartmann

© Qantara.de 2005

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Website von Fatema Mernissi (engl./franz.)