Kein Ende in Sicht - Seit fünf Jahren ist der saudische Menschenrechtler Raif Badawi in Haft

Seit fünf Jahren sitzt der saudische Blogger Raif Badawi in Haft. Wie kein anderen ist er zum Symbol für Meinungsfreiheit geworden. Seine Unterstützer schwanken zwischen Verzweiflung und ungebrochenem Kampfesgeist.

«Wir glauben, fünf Jahre sind mehr als genug. Er hat kein Verbrechen begangen. Er hat nichts getan außer seiner Meinung gesagt.» Elham Manea spricht besonnen, nachdrücklich. Die jemenitisch-schweizerische Politikwissenschaftlerin ist seit Februar 2015 Sprecherin von Raif Badawi. «Es tut weh, ihn im Gefängnis zu sehen, weil er eigentlich frei gehört.» Seit fünf Jahren die gleichen ungehörten Forderungen; dringliche Worte, die verhallen.

Am 17. Juni 2012 wird der saudische Blogger Badawi verhaftet. Weil er den Islam beleidigt haben soll, verurteilte ein Strafgericht den 33-Jährigen im Mai 2014 zu 1.000 Stockhieben, zehn Jahren Haft und umgerechnet 200.000 Euro Strafzahlung. Außerdem darf er nach seiner Haft zehn Jahre lang nicht ausreisen und sich nicht mehr in sozialen Medien engagieren. Im Januar 2015 erhielt Badawi vor einer Moschee in Dschidda öffentlich und unter Jubel die ersten 50 Schläge. Seither ist die barbarische Strafe zwar ausgesetzt – könnte aber jederzeit erneut vollzogen werden.

Badawis «Vergehen»: Er gründete einen Blog. Das «Liberal Saudi Network» diente seit 2008 als Meinungsaustausch von Menschenrechtsaktivisten und Intellektuellen in Saudi-Arabien. Die Forumsseite ist längst gesperrt; Badawis Texte in der Heimat verboten.

«Man merkt, es geht ihm immer schlechter», sagt Manea. Badawis Zustand stellt seine Unterstützer immer wieder vor die Frage, was sie für ihn tun können. Badawi ist zu einem internationalen Symbol geworden. «Mit Menschenrechten zu argumentieren und den Druck zu erhöhen wird ihm nicht helfen», sagt Manea. Deshalb wenden sich seine Unterstützer auch direkt an das Staatsoberhaupt Saudi-Arabiens, König Salman, und bitten um Badawis Freilassung.

«Raif Badawi hat weder dazu aufgerufen, die Monarchie abzuschaffen, noch hat er seine Religion beleidigt», stellt Saudi-Arabien-Expertin Regina Spöttl von Amnesty International in Deutschland fest. Er habe lediglich von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht. Badawi sei ein gewaltloser, politischer Gefangener, der sofort und bedingungslos freigelassen werden müsse.

Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von «Reporter ohne Grenzen» liegt Saudi-Arabien auf Platz 168 von 180. Im Grundgesetz Saudi-Arabiens, das auf dem islamischen Recht der Scharia basiert, ist die Rolle der Medien klar definiert: Das Königreich betrachtet Medien als Propaganda- und Erziehungsinstrument. Zensur ist in Saudi-Arabien alltäglich.

Rund 400.000 Internetseiten sind gesperrt, derzeit sind mindestens drei Journalisten und acht Blogger beziehungsweise Bürgerjournalisten wegen ihrer Tätigkeit in Haft. Raif Badawi sei kein Einzelfall. «Solange diese systematische Unterdrückung der Medienfreiheit andauert, darf es keine Normalität im politischen Umgang mit Saudi-Arabien geben», sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.

Raif Badawis Frau Ensaf Haidar lebt heute mit den drei gemeinsamen Kindern im politischen Asyl in Kanada. Sie kämpft unermüdlich für seine Freilassung. Die zierliche, kämpferische Frau wurde zum prominentesten Gesicht seines Unterstützerkreises. Am 16. und 17. Juni ist sie zu Gast in Tübingen. Unter dem Motto «Fünf Jahre sind genug!» wird sie aus ihrem Buch lesen, es wird eine Mahnwache geben und eine Diskussionsrunde mit Can Dündar, dem ehemaligen Chefredakteur der türkischen Zeitung Cumhuriyet. Thema: Pressefreiheit im Nahen Osten. So oder so ähnlich hat es in den vergangenen Jahren zahlreiche Veranstaltungen gegeben.

Im Ramadan oder zu religiösen Festen sei es Tradition, dass König Salman Gefangene begnadige, sagte Haidar einmal bei einer Veranstaltung. Dieses Jahr endet der muslimische Fastenmonat am 24. Juni. «Ohne Hoffnung können wir nicht weitermachen», sagt auch Badawis Fürsprecherin Manea. (epd)

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