Gaddafis Sohn Seif al-Islam in Libyen zum Tode verurteilt

In Libyen ist ein Sohn des getöteten Machthabers Muammar al-Gaddafi, Seif al-Islam, zum Tode verurteilt worden. Ein Gericht in Tripolis verurteilte am Dienstag zudem acht Vertraute Gaddafis zur Hinrichtung, darunter den früheren Regierungschef Baghdadi al-Mahmudi und den ehemaligen Geheimdienstchef Abdullah Senussi. Weitere Angeklagte erhielten lange Haftstrafen. Die Urteile wurden von der UNO, der EU sowie von Menschenrechtsgruppen scharf kritisiert.

Den Angeklagten wurden Verbrechen während des blutig bekämpften Aufstands gegen Gaddafi im Jahr 2011 vorgeworfen. Die Vorwürfe reichten von Mord über Entführung und Plünderung bis zur Anstiftung zur Vergewaltigung zu Zeiten der Revolution in dem nordafrikanischen Land. Angeklagt waren insgesamt 37 Verdächtige, 29 von ihnen waren bei der Urteilsverkündung anwesend, nicht jedoch Gaddafis Sohn.

Al-Islam galt einst als möglicher Nachfolger Gaddafis. Er befindet sich seit seiner Gefangennahme im November 2011 in der Hand früherer Aufständischer. Die Miliz, die die aus der Hauptstadt geflohene international anerkannte Regierung unterstützt, hält ihn in der Stadt Sintan fest. Sie lehnt es ab, ihn an die von islamistischen Milizen kontrollierten Behörden in Tripolis zu übergeben.

Generalstaatsanwalt Siddiq al-Sur räumte ein, dass es derzeit keine Aussicht auf eine Vollstreckung des Urteils gebe. Dies sei aber ein politisches Problem und nicht Aufgabe des Gerichts. Der Gerichtshof habe das Urteil gesprochen und "nichts mit dem politischen Konflikt zu tun", sagte al-Sur.

Der Prozess hatte im April vergangenen Jahres in der libyschen Hauptstadt begonnen. Neben den neun Todesstrafen verhängte das Gericht auch Freiheitsstrafen zwischen fünf Jahren und lebenslänglich. Vier Angeklagte wurden freigesprochen, einer wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.

Die UNO zeigte sich "zutiefst beunruhigt" angesichts der Todesurteile. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte erklärte, den Prozess "genau verfolgt" zu haben. So seien internationale Standards für einen fairen Prozess missachtet worden. Al-Islam hatte nur ein einziges Mal per Videoschaltung an der Verhandlung teilgenommen. In der Kritik standen insbesondere auch Einschränkungen für die Verteidiger.

Der Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, erklärte, der Fall hätte vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag verhandelt werden müssen. Der Europarat setze sich zudem für eine Abschaffung der Todesstrafe nicht nur in Europa, sondern weltweit ein, fügte Jagland hinzu. Der paneuropäischen Länderorganisation gehören alle ost- und westeuropäischen Länder mit Ausnahme Weißrusslands an.

Der IStGH hatte sich zuvor vergeblich um eine Auslieferung des Gaddafi-Sohns bemüht. Der Gerichtshof hatte auf dem Höhepunkt der Revolte Haftbefehl gegen ihn und Senussi wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlassen. Anschließend entbrannte ein Streit zwischen Tripolis und Den Haag darüber, vor welchem Gericht sich die Männer verantworten sollten.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezeichnete die Todesstrafen als "entsetzlich". Der Prozess offenbare die Schwäche des Justizsystems des Landes. Human Rights Watch beklagte ebenfalls, dass der Prozess weder fair noch unabhängig gewesen sei.

Libyen geriet nach dem mit Hilfe der Nato erfolgten Sturz Gaddafis in einen Bürgerkrieg, in dem sich mittlerweile zwei rivalisierende Regierungen und Parlamente gegenüberstehen. Zudem kämpfen mehrere Milizen um Einfluss in dem Land. (AFP)